04.05.2020

Zurück zur Normalität?

„Mit allen Kräften stemmt sich die Weltbevölkerung gegen die Pandemie und wird sie auch zurückdrängen. Doch diese humanitäre Katastrophe wird uns Jahrzehnte beschäftigen. Die Vollbremsung des öffentlichen Lebens war und ist wichtig, sie setzte uns aber eine Wegmarke, die wir nicht so schnell verwischen können.

Verständlicherweise ist der Wunsch nach Normalität gross und der Ruf nach Lockerungen nachvollziehbar. Viele Menschen leiden unter der Isolation, dem Verlust der Arbeit und der unsicheren Zeit, die vor uns steht. Und viele Menschen sind noch tatkräftig dabei, das Leben für alle aufrecht zu erhalten - im Kleinen wie im Grossen.

Was kann die Kreativwirtschaft für unsere Zukunft leisten? Schafft sie es, auf kreativer Ebene, analog und digital, so zu wirtschaften, dass Sinn, Freude und Zufriedenheit bei Vielen entsteht? Nutzen wir die neuen Blickwinkel und Erfahrungen dafür, uns zu fragen, was mehr Zeit, Raum und Sorgfalt braucht? Sortieren wir neu, was notwendig ist und auf was wir verzichten? Und findet dann Neues auch Gehör und die Chance, gelebt zu werden?

"Es wäre ein wirklicher Fortschritt, nicht zur Normalität zurückzukehren."

Oder glauben wir immer noch, diesen heillosen Wohlstand in alter Manier weiter steigern zu müssen? Wir wissen über die Missstände dieser Welt. Wir nehmen unsere Verantwortung dafür selten wahr. Wann - wenn nicht jetzt - handeln wir konsequenter?

Zurück zur Normalität? Wir sprechen von Normalität und wissen, den reichsten 0,9 Prozent der Weltbevölkerung gehört über 43,9 Prozent des weltweiten Vermögens. Wir sprechen von Normalität und zahlen Frauen für die gleiche Arbeit einen geringeren Lohn wie Männern. Wir sprechen von Normalität und grenzen Menschen aus. Wir sprechen von Normalität und zerstören unsere Lebensräume.

Was zählt, ist der Profit. Ist das Zivilisation? Nennen wir das Fortschritt?

Wenn wir von der Normalität sprechen, die hier und weltweit soviel Ungerechtigkeit, Chancenungleichheit, Zerstörung unserer Lebensgrundlagen und sinnlosen Konsum umfasst, wäre ein wirklicher Fortschritt, nicht zur Normalität zurückkehren. Ich wünsche mir, die Kreativwirtschaft setzt ihr Potential für diesen gesellschaftlichen Prozess ein.“