Kreativwirtschaft – wie trägt sie zur kulturellen Wirklichkeit der Gesellschaft bei?

Ihre Akteur:innen sind überwiegend als Kleinstunternehmen mit 1 bis 5 Mitarbeiter:innen in 13 Teilmärkten tätig, die als Kreativwirtschaft im Ganzen verstanden werden. Dahingegen wird in der öffentlichen Debatte zumeist zwischen leistungserbringenden Unternehmer:innen wie Grafik- und Produkt-Designer:innen, Architekt:innen, Werbe- und Marketingschaffenden, etc. und auf der anderen Seite, förderungswürdigen Kulturschaffenden aus den klassischen Bereichen wie Bildende oder Darstellende Künste, etc. segmentiert.

Der Seifenboss, entwickelt von der Basler Agentur eyeloveyou für den Kanton Basel-Stadt, wird jedem Basler Schulkind in Erinnerung bleiben. Er hat einen wirkungsvoll schmunzelnden Blick auf die Umstände der Pandemie ermöglicht – Prädikat kulturprägend. Kreative Erneuerung sollen beim Projekt Nomadic Retails der Schule für Gestaltung Basel zum Zuge kommen, bei dem es um Raumkultur in Form neuer Retail-Konzepte und Labels zur Revitalisierung von Innenstädten und Einkaufspassagen geht – wie Matthias F. Böhm von StadtKonzeptBasel betont: “Stadtraum ist Entwicklungsraum und eine Krise war schon immer eine Chance.” Die lokale Redaktion von Bajour mit ihrem täglich erfrischenden Newsletter und Ana Brankovic mit ihrem Szene-Verein wie wär’s mal mit? sind zwei aus Basel nicht mehr wegzudenkende Akteurinnen, die kulturprägend und zugleich unternehmerisch unterwegs sind.

Kreativwirtschaft schafft gemeinsame Bilder für das Gemeinwesen.
Johanna Mayrshofer, Co-Geschäftsführerin Stellwerk


Gerade in Zeiten des Umbruchs wie der Pandemie sind es Kreativschafffende, in deren Werken sich der Stand der Zeit spiegelt – womit Kreativschaffende auch eine wichtige und tragende Rolle für die Gesellschaft spielen.

Basel im kulturellen Standortwettbewerb – welche Rolle spielt die lokale Kreativwirtschaft ?

Betrachten wir Basel im aktuellen Standortwettbewerb, sind es heute unter anderem die Museen und Theater, die weltweite Ausstrahlung von Herzog & de Meuron für Basel als Architekturstadt und die über 50-jährige Art Basel, die ihren Ruf als internationale Kulturstadt ausmachen. Durch den Transfer kreativer lokaler Leistungen auf die internationale Bühne tragen immer mehr neue und erfolgreiche Basler Kreativakteur:innen dazu bei, Basels Ruf zu prägen. Wie zum Beispiel iart mit Sitz in Münchenstein, sie erweitern mit medialer Architektur Räume und schafft Begegnung von Mensch und Technologie lokal wie in der Fondation Beyeler oder auch international wie mit Ai Weiwei und Herzog & de Meuron in New York City zum Thema der Überwachung in öffentlichen Räumen. Ebenfalls lokal und international unterwegs ist Idee und Klang Audio Design aus dem Gundeli. Für Projekte wie Die Erde am Limit im Kunsthistorischen Museum Basel, das Imperial War Museum in London oder auch in Besucherzentren von Unternehmen komponieren und installieren sie Sound Szenografien, um Kulturprojekte oder Unternehmensidentitäten akustisch erlebbar zu machen.


Fakt ist, Kultur-Produktion hört nicht an Landesgrenzen auf.
Janina Schombach, Geschäftsführerin kreaB


Auch entstehen immer wieder kleinere lokale Projekte, die prägnant für das kulturelle Image von Basel sind – und die Attraktivität Basels erheblich mit beeinflussen. Dazu gehören neue Formate wie das kommerzielle Ausstellungsprojekt Studio Slow von Gaby Hangartner bei der Dreirosenbrücke oder die Papeterie Carte Blanche der Grafik Designerin Susanne Krieg im Iselin Quartier – bei beiden findet sich Kunst und Design zusammen – beide bieten regionalen und internationalen Kreativakteur:innen Raum, ihre Produkte lokal zu platzieren.

Kultureller Wandel – Welche Bedeutung hat er für die Kultur-Produktion in Basel?

Die Pandemie brachte einige spannende Projekte in Basel hervor, als plötzlich die institutionellen Strukturen für die Kulturproduktion wegfielen. Kreativschaffende haben sich zusammengetan und mit Digitalisierung auseinandergesetzt, um zwei zu nennen:

Brigitte Fässler und William Bejedi verstärkten mit Cubique das Narrativ des Tanzes durch den Transfer von Life Performances ins Video – setzten sich dabei dem Menschenbild im Widerstand zwischen Natur und Wissenschaft aueinander – und publizierten diese auf Social Media mehr im Portrait über die beiden). Das spontan ins Leben gerufene, unabhängige Künstlerkollektiv New Normal unter der Leitung von Eva Böhmer und Lorenz Nufer begab sich auf den Weg in die Postdigitaltität und erforschte fernab von Theatersälen mit digitalen Medien neue künstlerische Formen und Ausdrucksweisen an der analog-digitalen Schnittstelle – auf einer Internetplattform und über Social-Media Kanäle konnte das Publikum aktiv werden und in Austausch mit den Künstler:innen selbst treten.

Die Akteur:innen der Kreativwirtschaft als Ganze informieren und prägen Kultur in einem noch nie dagewesenen Ausmass, indem sie Werte vermitteln und sichtbar machen. Pandemie-bedingt und getrieben durch die Digitalisierung stellen sie zunehmend mehr Beiträge über soziale Netzwerke und Online-Plattformen zur Verfügung, erreichen dadurch eine breitere Audience und ein neues Level an Austausch entsteht zwischen Sender und Community. Um weiter zu gehen, jede:r kann mit persönlichem Tun zum Kulturproduzent werden, wenn seine Online Präsenz unterhaltsam ist, Austausch generiert und dadurch Bedeutung für die Community erhält. Dabei verlieren marktrelevante Vorgänge wie Preise, Geldfluss für die einzelne Arbeit an Bedeutung. Vielmehr gewinnt die Qualität an persönlichen Beziehungen online und abseits der digitalen Flüsse an Wert in diesem Prozess.

Die zunehmende digitale Vernetzung und Weiterentwicklung neuer medialer Technologien wird die kulturelle Produktion auch nach der Pandemie weiterhin stark prägen und einen Vor-Corona Status nicht wiederherstellen. Verschiedene Kreativakteur:innen aller Teilmärkte werden zunehmend zusammenkommen, in Kollaborationen Neues generieren und Kultur gestalten.


«Kreativwirtschaft als Ganzes generiert Kultur.»
Silvia Wolff, Vorstand kreaB



Nicht nur die Art der Kultur Produktion, auch das Publikum verändert sich, die Ansprüche passen sich der heutigen Zeit an – es braucht Lust, Moderne zu gestalten. Mit welchen Fragen setzen wir uns dabei auseinander?


Was wäre, wenn alle 13 Teilmärkte politisch gesamtheitlich betrachtet und ein kultur-ökonomischer Ansatz gefunden werden würde?

Wie könnten Kulturinstitutionen mit dem kulturellen Wandel wachsen und neuen Formaten Raum geben?

Oder welche neuen Förder- und Geschäftsmodelle bräuchte es, damit Basel seinen Platz als Kultur- und Kreativstadt in der aktuell stattfindenden kulturellen Transformation einnehmen kann?


kreaB traf Kaspar Sutter – Gemeinsamer Austausch und Visionen

Der Prozess, Antworten auf die oben gestellten Fragen zu finden, wird ein spannendes Experimentierfeld für alle Kreativschaffenden, institutionellen, politischen und gesellschaftlichen Beteiligten sein. Es ist den bestehenden Werten und Strukturen Wertschätzung entgegenzubringen und zugleich ein Weg zu bereiten, die Herausforderungen des kulturellen Wandels anzunehmen.

In diesem Zusammenhang endete 2021 für kreaB mit einem spannenden und aussichtsreichen Gespräch kurz vor Weihnachten mit Kaspar Sutter, Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt und Vorsteher des Departements für Wirtschaft, Soziales und Umwelt.


  1. Kaspar Sutter hat kreaB im Auftrag bestärkt, die Interessen der Kreativwirtschaft zu bündeln.
  2. Die Sichtbarkeit der Kreativwirtschaft sieht er als ein zentrales Element, bei dem er kreaB seine Unterstützung angeboten hat.
  3. Er möchte mit uns im aktiven Austausch bleiben, wenn es um politische Fragestellungen wie den Mindestlohn geht oder für den Regierungsrat relevante Implikationen seitens der Kreativwirtschaft.


Als Verband der Kreativwirtschaft Basel sehen wir unsere Aufgabe darin, die Interessen aller Kreativakteur:innen und vor allem die, der vielen Einzelakteur:innen zu vertreten – im gemeinsamen Gespräch bestätigte Herr Kaspar Sutter, dass er im Austausch mit kreaB einer Bündelung der Interessen innerhalb der Kreativwirtschaft entgegen sähe.

Mit dieser Aussage schaffte der Regierungsrat unter Elisabeth Ackermann bereits 2020 einen positiven Nährboden, der die Vorteile der gesamthaften Kreativwirtschaft indirekt inkludiert:

Die «Weltkulturstadt im Taschenformat» fokussiert dabei auf zwei Schwerpunkte: herausragende Exzellenz und breite und innovative Vielfalt des kulturellen Schaffens.
Kulturleitbild (2020 - 2025) Basel-Stadt, Regierungsrat Basel-Stadt

kreaB als Verband der Kreativwirtschaft für Basel hat deshalb als Vision formuliert:

Bis 2030 wird Basel als Kultur- und Kreativstadt auf internationalem Niveau etabliert – aufbauend auf der kulturellen Prägung der Stadt, übersetzt ins digitale Zeitalter des 21.Jahrhunderts.

Die Strahlkraft der Kreativwirtschaft wird sich positiv darauf auswirken, sozialverträgliche Rahmenbedingungen zur Verbesserung der Erwerbschancen und sozialen Absicherung der Kreativschaffenden voranzubringen.


Weitere Lektüre zum Thema: Mehr über die Bedeutung des kulturellen Wandels im 21. Jahrhundert für neuartige Geschäftsmodelle, etc. in der Kultur Produktion kann u.a. in den Publikationen von Univ.-Prof. Dr. Carsten Winter für Medien- und Musikmanagement am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover nachgelesen werden.


Hallo Brigitte und William, woran arbeitet Ihr gerade jeder einzeln oder auch zusammen? Aktuell arbeitet Brigitte an einem transmedialen Kurzfilm Projekt, bei dem es um das Thema Angst und das Flüchten in virtuelle Welten geht. Im Mittelpunkt der Geschichte steht ein Tänzer.

William wurde von der Schweizer Botschaft in den USA dazu eingeladen, sich in einem 30-minütigen Video anlässlich des Black History Month vorzustellen. Aktuell arbeitet er an dieser Präsentation.

Was macht eine Live Performance im Tanz aus? Und wo seht Ihr die Kraft des Transfers einer Live Performance im Tanz in eine Video Produktion? Eine Live Performance besitzt die Magie des Augenblicks. Nichts kann wiederholt werden oder im Nachhinein noch verändert werden, es findet im Jetzt statt. Alles kann passieren und es fordert von den Tänzer:innen ein höchstes Mass an Konzentration.

Beim Film hat man eine grosse räumliche Freiheit und die filmischen Mittel sind bei der Inszenierung schier unbegrenzt. Die Emotionen, welche über Mimik und kleinere Bewegungen transportiert werden, können stärker hervorgehoben werden und mit Sounddesign und Schnitt, sowie mit dem Licht deutlicher unterstrichen werden. Bei unserer Tanzvideo-Reihe cubique presents haben wir die Inszenierungen jedoch grösstenteils bewusst sehr reduziert gehalten, um den Performances so viel Platz wie möglich freizuhalten.

Wie hat Corona Eure Arbeitsweise verändert? Zwangsläufig wurden wir beide viel flexibler. Im Frühjahr 2020, eine Woche vor den geplanten Shooting Tagen auf die wir intensiv hingearbeitet hatten und an dem drei Performances gefilmt werden sollten, wurden die ersten Restriktionen und Vorgaben seitens Bundesrat eingeführt und wir konnten die Shootings nicht durchführen. Nach der ersten Enttäuschung und dem anfänglichen Frust haben wir nach Möglichkeiten und Ideen gesucht, welche trotz Restriktionen realisierbar waren.

Daraus ist ein Tanzvideo zum Thema Isolation mit drei Tänzer:innen, die in drei verschiedenen Ländern im Lockdown waren, entstanden, das an verschiedenen Festivals nominiert und sogar prämiert wurde. Das war für uns eine gute Lehrstunde in punkto Flexibilität und Wandlungsfähigkeit. Durch die Pandemie-bedingten Verschiebungen und Absagen sind wir gelassener geworden und fokussieren uns dann auf jene Sachen, welche sonst zu wenig Platz haben, wodurch, wie wir gelernt haben, auch Neues entstehen kann.

Nun seid Ihr privat ein Paar – wie beeinflusst das Eure Zusammenarbeit? Vieles geht einfacher, da wir nicht von Grund auf eine Vertrauensbasis schaffen müssen. Wir kennen uns ziemlich gut und kennen die Stärken und Schwächen der jeweiligen Person. Das kann aber auch die Arbeit schwieriger machen. Die Trennung zwischen Arbeit und Familie und Beziehung ist extrem schwierig und man muss ein Bewusstsein für gemeinsame Zeit entwickeln, bei der man eben nicht über die Arbeit spricht. Die Zusammenarbeit funktioniert gut, weil wir beide einen unterschiedlichen Background und verschiedene Fähigkeiten haben und so die Schwächen des Anderen abfangen und uns gegenseitig stärken können.

Wenn Ihr einen unkuratierten Raum zur Verfügung hättet, wohin würden Eure Ambitionen gehen?

Uns beiden ist es ein grosses Anliegen, mit unseren Arbeiten ein möglichst breites und vielfältiges Publikum anzusprechen und Kunst und Kultur im Allgemeinen für ein möglichst diverses Publikum zugänglich zu machen.

Von daher würden wir mit cubique auf einen fixen Raum verzichten und würden viel mehr den Kubus, der in gewisser Massen auch ein Raum ist, nach Aussen tragen und ihn öffnen. Er ist ein fiktiver Raum, in dem wir Tänzer:innnen kuratieren und Menschen aus verschiedenen Sparten zusammenbringen. Ob die Endform Live oder Video ist, spielt keine Rolle. Uns beide verbindet, dass wir neugierig sind und es uns interessiert, was geschieht, wenn Personen mit verschiedenen Hintergründen und aus verschiedenen Bereichen zusammenkommen.

Wir lieben es herauszufinden, was dort entsteht, wo unterschiedliche Perspektiven und Fähigkeiten aufeinanderttreffen, sich austauschen und gemeinsam etwas Neues erschaffen. Wir finden daher den Gedanken einer Wanderkaravane, die nicht an einem spezifischen Ort gebunden ist und die zum Publikum hingeht, sehr spannend.

Spinnt man die Idee weiter, könnte man sich vorstellen, dass in verschiedenen Ecken der Welt ein Kubus auf die Reise geschickt werden könnte – mit spezifischen Rahmenbedingungen, wie dieser bespielt werden kann, damit andere Menschen diesen Kubus kuratieren und inszenieren und ihre Ergebnisse mit der Welt teilen würden. Wir würden nicht mehr die antreibende Kraft sein, sondern nur im Hintergrund stehen. Dieser Raum könnte durch anderen Kunstformen wie zum Beispiel Musik oder Theater noch mehr ausgereizt werden.

Hier geht es zu einigen Videoproduktionen der beiden:

Alone Together / Isolation

Dakota & Nadia, Druck in Love / Häusliche Gewalt



Hier findet Ihr die vier Research Notes zu den Auswirkungen der Corona-Krise.

Das wichtigste in Kürze

In der Schweiz waren im Herbst 2020 insgesamt 566’000 Personen in den Creative Economies beschäftigt. Welche Auswirkungen die Pandemie auf den Arbeitsmarkt im kulturellen Sektor hatte, wird vermutlich erst in den Statistiken dieses Jahres sichtbar. Klar ist: Verglichen mit anderen Sektoren ist der Anteil Selbstständigerwerbender in den Creative Economies besonders hoch.

Krisen sind Innovationstreiber und die Kreativen könnten Grundlegendes dazu beitragen, neue Wege aufzuzeigen, sagt Weckerle. In der Krise werden entlang der Kreations- und Realisierungsprozesse sowie der Wertschöpfungs- und Distributionskette plötzlich überraschende Dinge denkbar, diskutierbar und machbar. Die Creative Economies können ein Innovations -Inkubator sein, der auch für andere Wirtschaftsbereiche relevant ist.

Daran anknüpfend fragt das ZCCE, was die Schweiz gewinnen würde, wenn sie den kulturellen Sektor als systemrelevant einstufen würde. Dabei machen die Forscher einen aufschlussreichen Blick in die Vergangenheit. Die grosse Depression, die dem Börsencrash von 1929 folgte, stürzte auch den Kulturbereich ins Elend. Franklin D. Roosevelt, der sich persönlich nicht sonderlich für Kultur interessierte, machte Kulturförderung dennoch zu einem integralen Bestandteil seines umfassenden Wirtschafts- und Sozialprogramms, das als “New Deal” bekannt wurde. Das legte die Keimzelle für eine kulturelle Renaissance der USA, die das Ende der kulturellen Vorherrschaft Europas einläuten sollte.


kreaB streckt die Fühler in die Ferne aus. Dank unseres Geburtshelfer Frank Lemloh gibt es jetzt die Leipzig-Connection. Das Protokoll einer Anbandelung mit dem kreativen Sachsen.

Wie sind Kreative eigentlich anderswo so organisiert? Zum Beispiel in Sachsen. In Leipzig, Heimat von kreaB-Vorständin Silvia Wolff und kreatives Zentrum des Freistaats Sachsen hat sich die Kreativwirtschaft schon 2010 in einem Verein selbst-organisiert, als Kreativwirtschaft noch ein neues Buzzword war. Damals entstand auch in Basel die Initiative Kreativwirtschaft, angestossen vom Kanton, aber kaum mitgetragen von den adressierten Kreativen selbst. 2013 versandete die Initiative. Frank Lemloh, damaliger Leiter des ersten Gründerzentrums für Kreative ‹Stellwerk› postulierte schon früh die Selbstorganisation der Akteure und gab mit einer Bedarfsanalyse einen wichtigen Impuls zur Gründung von kreaB. Lemloh wirkt unterdessen in Leipzig und figurierte wiederum gewissermassen als Brückenbauer zu Kreatives Leipzig.

So wurde uns ein Austausch mit Christian Rost, langjähriger und inzwischen ehemaliger Vorstand von Kreatives Leipzig und Leiter des Landesverbands Kreatives Sachsen, an dessen Gründung er wesentlich beteiligt war, nahe gelegt. Er ist Chef- und vor allem Vollblut-Lobbyist der sächsischen Kreativwirtschaft.

Geplant war ein Interview, aber wenn man von Christian Rost etwas über Kreatives Leipzig wissen möchte, dann ist er kaum mehr zu bremsen und am Ende bleibt kaum eine Frage offen. Und so legt Christian einfach los und erzählt von den Kultur- und Design-Stammtischen, die es in Leipzig schon länger gab. Wo halt alle immer so etwas unter sich «in der Bubble» blieben. Bis 2010 das interregionale EU-Projekt ‹Creative Cities› in Leipzig eine Zeitungsente produzierte. 2,5 Millionen Euro sollten für die Kreativen in der Stadt bereitstehen. Tatsächlich sollten es dann nur 600’000 Euro sein.
«Bis dahin hatte die Stadt viel über die Kreativen geredet, aber nicht mit ihnen.» Auf jeden Fall war es Anlass genug, dass sich sieben Kreative, so viele sind in Deutschland zu Vereinsgründung nötig, zusammengetan haben und «Kreatives Leipzig» gründeten. «Die haben einfach mal eingeladen, so nach dem Motto ‹Hallo, es gibt uns. Wir wissen zwar noch nicht, was wir machen sollen, aber macht doch mit.› Bis Ende Jahr waren es schon über 50 Mitglieder», erzählt Christian. Der diplomierte Geograf war auch einer dieser Mitglieder der ersten Stunde.

Erstmals habe man sich branchenübergreifend getroffen. Im Gründungsjahr folgten Mini-Hearings in allen Branchen, woraus sogleich ein Buch entstand. «Das ist bis heute der ehrlichste Kreativ- und Kulturwirtschaftsbericht, den es gibt in Deutschland», sagt Christian. Das schaffte Identifikation, quasi ein Klassenbewusstsein und Wahrnehmung über die Grenzen der Stadt.

«Es wurde rasch klar, dass der Leipziger Verein nicht das Ende der Fahnenstange ist und Förderung auf Landesebene passieren muss.»
‹Wir Gestalten Dresden›, ‹Kreatives Chemnitz› entstanden, vernetzten sich untereinander und 2015 schliesslich entstand der Landesverband Kreatives Sachsen, dessen Leitung Christian inne hat.

Natürlich war das keine lineare Entwicklung. Christian stiess 2013 in den Vorstand von Kreatives Leipzig, als die erste Generation schon ein wenig ausgebrannt gewesen sei. Die neuen trieben die Vernetzung weiter voran, während die Mitglieder das Programm weitgehend selbst bestritten. «Es gab einen Call to Action, alle Mitglieder mussten einmal einladen», erzählt er. Die Einladungen sind ein vergleichbares Format zum Salon des Createurs von kreaB. Dazu gab es einen monatlichen Stammtisch. «Wir hatten viel Programm mit wenig Aufwand gemacht», sagt Christian. Peer-to-Peer Netzwerke seien mitunter das Wertvollste, was so ein Verband bieten kann. In Netzwerk- und Weiterbildungsveranstaltungen gehe es in erster Linie darum, voneinander zu lernen.

Daneben machte der Vorstand von Kreatives Leipzig was Christian «öffentlichkeitswirksame Arbeit durch Wirksamkeit» nennt. «Wir haben nicht gefordert, sondern den damaligen SPD-Landeschef gefragt, was können wir für euch tun? Dann wurden wir eingeladen, auch von CDU, Junge Union, Grüne, da gab es ein offenes Interesse. In Sachsen ist Strukturwandel ein grosses Thema, da suchen alle nach neuen Ideen.» Das kam an. 2014 war das sächsische Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft, ein Kernanliegen des Vereins, bereits Teil des Koalitionsvertrags der neuen Landesregierung. «Mehrere Ministerien wurden da mit Leuten besetzt, die wir schon kannten.»

Das Zentrum wurde 2016 dann Realität. «Das war damals ein Novum. Ein solches Zentrum aus der Branche für die Branche, das auch selbst getragen wird, gab es in Deutschland noch nicht.»

Christian «ging voll ins Projekt», wie er sagt, und übergab seiner Partnerin seine Anteile an der gemeinsamen Firma. Seither ist er vollamtlicher Lobbyist für die Kreativen in Sachsen. Der Landesverband hat inzwischen sechs Vollstellen und wird primär durch staatliche Mittel finanziert, aber auch von den Vereinen alimentiert.

In der Corona-Krise hat sich diese Struktur bewährt. Kreatives Sachsen war quasi die Standleitung in die Ministerien und konnte die Bedürfnisse der Basis mit den lokalen Vereinen wie Kreatives Leipzig spiegeln. Im Landesverband wurden soeben auch zwei neue vollfinanzierte, projektbezogene Stellen für Soloselbständige und Populärmusik geschaffen, die von der Pandemie wirtschaftlich am härtesten getroffen wurden.

Verglichen mit Sachsen steckt die Vernetzung der Kreativwirtschaft in der Schweiz noch in den Kinderschuhen. Es gibt zwar verschiedene Initiativen auf lokaler und überregionaler Ebene, aber noch handeln diese Akteure nicht vernetzt. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass viele Akteure der Kreativwirtschaft ohnehin schon in Branchenverbänden organisiert sind. In den neuen Bundesländern sei der Organisationsgrad viel weniger hoch als in den alten Bundesländern, sagt Christian. Das gab der Leipziger Initiative möglicherweise zusätzlichen Schub. Obwohl es anfänglich auch Vorbehalte gab, reifte rasch die Erkenntnis, dass das Gemeinsame alle weiterträgt.

«Man ist Gemeinsam weniger einsam, das zählt immer noch.»


Grosses Danke an alle kreaB-ler:innen, die gestern mitgefeiert und gebrainstormed haben, was die Kreativwirtschaft ausmacht, vor welchen Herausforderungen sie steht und welche möglichen Lösungen es geben könnte!

11% der Unternehmen kommen aus der Kreativwirtschaft - die wenigsten sind 100 Mann:Frau Betriebe - oft handelt es sich um 1-5 Mitarbeiter:innen und gleich erwirtschaften sie mit dem gleichen selbständigen Risiko wie alle anderen Unternehmer:innen 22 Milliarden Franken im Jahr - ganz abgesehen vom gesellschaftsprägenden, kulturellen und innovativen Wert, der sich schwer beziffern lässt!

Welche Rolle spielen Kreativwirtschaftliche Leistungen für unsere Gesellschaft? Welchen Stellenwert bekommen Kreativschaffende in der öffentlichen Wahrnehmung?

Bereits spürbar an der Tour de Création mit dem Auftritt von Tanja Soland war die zunehmende politische Rolle, die kreaB zukünftig einnehmen möchte!

Eine erste politische Richtungsansage lässt sich identifizieren - weitere Treffen sind in Planung! Es wird spannend!
Ein grosses Danke an die CMS für ihre Wertschätzung und Unterstützung unserer Arbeit, an den Quartiertreffpunkt Wettstein für sein Entgegenkommen mit den tollen Räumlichkeiten und Nevena von der drumrum Raumschule für ihr köstliches Farbenspiel Dessert!


Hallo Conny, woran arbeitet ihr gerade im Atelier Domino?
Wir sind heute eigentlich mehr Marzel und Conny. Frau Fasnacht schläft noch und somit auch unser Fasnachtsbetrieb. Das Atelier ist mehr eine Bühne meine Tätigkeiten mit der Praxis Raum Werk. Es ist ein Raum, um Innenräume zu zeigen und sich neu auszurichten. Bei der Praxis geht es um Themen wie Coaching und Persönlichkeitsentwicklung.

Gibt es da eine Brücke zu deinem Handwerk als Maskenbildnerin?
Ja, es ist viel Werkstattarbeit. Die Arbeit an Selbstreflexion und Entwicklung hin zum neuen Gesicht ist ein Werken. Ich sehe mich in erster Linie immer noch als Künstlerin und Entschlüsslerin von versteckten Botschaften, Rollen und Gesichtern. Also dessen, was sich hinter der Maske verbirgt. Bei der Bei der Arbeit in der Praxis geht es auch um die Fragen wie siehst du dich? Wie willst du gesehen werden? Wie nehmen dich die anderen wahr? Konflikte, Strategien, Sorgen, Fragen verzerren die Wahrnehmung von Körper, Emotionen, Denken und letztlich dem Handeln. Aber um hier nicht den Eindruck zu geben, dass meine Arbeit in Praxis Raum Werk eine Atelier- und Werkstattarbeit mit Maskenbau und Spiel ist, möchte ich betonen dass ich mit meiner Ausbildung ein weites Feld der Gesprächs- und Körperarbeit anwende.

Dein Atelier besteht seit 36 Jahren, wie hat dich deine Berufung als Maskenbildnerin gefunden?
Wir haben uns gefunden. Ich wollte schon immer Maskenbildnerin werden, mich zog es in diese Welt des Theaters, der Rollenspiele, der temporären Identitäten. Das Auftragen oder verändern eines Gesichts, eines Auftragsgesichts, das faszinierte mich. Die Mimik-Studien interessierten mich sehr, wie sich Oberflächenveränderung langsam in den Körper des Trägers synchronisiert und umgekehrt, aber noch nicht vom tiefenpsychologischen Gesichtspunkt her, das kam erst später. In der Ausbildung wartete ich dann auf ein Praktikum und schnupperte währenddessen mal in einem Larvenatelier und nach einer Saison habe ich es direkt übernommen. Bis heute sind hier sicher 35’000 Masken entstanden. Ich habe an dieser Stelle Glück gehabt und auf diesem künstlerisch, therapeutisch, praktischen Weg etwas sehr eigenwilliges erfahren und entwickeln zu können und dürfen.

Die Frage ist nicht sehr originell, drängt sich aber schon fast auf: Masken sind seit der Pandemie allgegenwärtig. Was macht das mit deiner Wahrnehmung?
Zunächst fehlt die Mund-Nasen-Partie, die ich nicht mehr sehen kann und es macht es schwieriger, Mimik wie ein Lächeln zu deuten. Es anonymisiert und versteckt Emotionen, es erleichtert ein Gesicht zu zeigen, das man nicht zeigen möchte. Letztlich behindert es aber die offene Kommunikation. Psychologisch kann es aber auch ein Schutz sein für gewisse Menschen. Ich finde das manchmal gar nicht so unangenehm.

Zunächst fehlt die Mund-Nasen-Partie, die ich nicht mehr sehen kann und es macht es schwieriger, Mimik wie ein Lächeln zu deuten. Es anonymisiert und versteckt Emotionen, es erleichtert ein Gesicht zu zeigen, das man nicht zeigen möchte.

Die Corona-Krise hat euer Atelier vermutlich hart getroffen, wie hast du die vergangenen 18 Monate erlebt?
Es war wie eine Vollbremse, als wir im Vollschuss waren. Wir hatten die Aufträge für die Fasnacht 2020 schon abgeschlossen und es war für uns wie immer: müde, selig, das Ziel erreicht zu haben und die Vorfreude der Kunden zu geniessen. Also uns auf die Lorbeeren zu freuen. Zuletzt bleiben die Majoren zurück, die letzten Streiche am Kopf, das Lampenfieber steigt! Dann Stopp! Unglaublich eine Absage der Fasnacht! Irritation, Entsetzen, Tränen, Trauer, die letzten Arbeiten werden mit gemischten Gefühlen und Unglauben abgeholt. Das war‘s dann vorerst mal bis auf Weiteres. Wir haben uns dann mit anderen Larvenmachern zusammengeschlossen, woraus die Solidaritäts-Blaggedde entstanden ist. Es gab auch Vorstösse im Grossen Rat, um uns als lokal relevantes Gewerbe zu helfen, und Ende Februar war es endlich soweit. Der Kanton teilte uns der Gastronomie zu. Darum gibt es uns noch. Aber der Weg dorthin war happig und richtig ätzend.

Hat das auch deinen Fokus verändert?
Ja, wir begreifen es jetzt auch als Chance, bis Frau Fasnacht ausgeschlafen hat, die Zeit zu nutzen anderen Gesichtern und Herzensanliegen in unseren Atelierräumen Platz zu geben und unsere Balance neu finden. Es ist auch noch einiges an Improvisation dabei im Moment.


Bild: (c) Kostas Maros

Wie wird man eigentlich professionelle Tänzerin? „In der Regel, in dem einen die Eltern mit fünf Jahren ins Ballett schicken und die Kindheit und Jugend hindurch fördern, bis sie mit Anfang zwanzig bereit sind für die professionelle Karriere.“ Das sagt Rebecca Weingartner, 40 Jahre alt, Basler Choreografin und Tänzerin. Die Berufung sei meistens bereits vorbestimmt.

Bei ihr sei das anders gewesen: „Ich kam mit zwanzig Jahren spät zum Tanz.“ Und das auch nur zufällig, weil eine Freundin sie zu einer Tanzstunde mitnahm. Das war ihr Momentum: „Von da an wollte ich so viel tanzen wie nur irgendwie möglich.“ Später sicherte sie sich ein Stipendium und besuchte Tanzschulen in Zürich und Holland. Dabei war der Weg für Rebecca keinesfalls vorgespurt, wie das in Künstlerbiografien öfters der Fall ist. In Südkorea geboren, wuchs sie in Binningen in einer Blocksiedlung auf, als Tochter einer Hongkong-Chinesin und eines Schweizers. Der Vater ist Bäcker-Konditor, die Mutter Wirtin, beide hätten kaum Zugang zu Kultur gehabt.„Meine Mutter kommt an meine Vorführungen, sagt danach aber jedesmal, sie habe nichts verstanden“, erzählt Rebecca. Der Vater hingegen sei noch nie im Publikum gewesen. „Ich glaube, er fühlt eine soziale Barriere, eine Art Scham.“

"Ich glaube, mein Vater fühlt eine soziale Barriere, eine Art Scham."

Ihre Herkunft, die kulturelle wie die soziale, sei mit ein Grund, warum sie schon immer Kunst machen wollte, die allen zugänglich ist. Und die sich im Besonderen auch an verletzliche Personengruppen richtet. So arbeitet sie beispielsweise mit Kindern und aktuell mit Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung.

Eines ihrer jüngsten Projekte mit dem Titel „Equality!“, das sie gemeinsam mit ihrem Tanzpartner Benjamin Lindh erarbeitete, richtet sich an ein junges Publikum und thematisiert die Gleichberechtigung der Geschlechter. Die Premiere fand im September 2020 statt und konnte noch vor 50 Menschen aufgeführt werden. Kurz danach war Schluss. Die Coronapandemie brachte das kulturelle Leben zum erliegen. Für Rebecca ein grosser Moment der Unsicherheit, der bald ihre Existenz als Tänzerin tangierte. „Auf einmal wurden die Vorstellungen nicht mehr verschoben, sondern abgesagt“, erzählt Rebecca. „Das konnte bedeuten, dass ein Stück, mit dem man mitunter viele Jahre beschäftigt war, keine Überlebenschance mehr hat.“ Damals fragte sie sich nicht nur, ob sie selbst als Künstlerin überleben wird, sondern auch, ob Kunst und Kultur generell überleben würden.

Wie ging sie mit den Zweifeln um? „Ich habe einfach immer weitergetanzt.“ Ihre Tanzstunden, die sie seit vielen Jahren unterrichtet, hätten immer stattgefunden. „Als die Tanzstudios schliessen mussten, haben wir draussen geprobt, bei Wind und Wetter.“ So ist sie sozusagen durch die Coronapandemie getanzt, bis sie im Frühjahr dieses Jahres erfuhr, dass sie die Gewinnerin des diesjährigen Kulturpreis Baselland ist. „Ich war einfach nur überrascht.“ Den Preis empfindet sie einerseits als Wertschätzung für die Tanzszene, die bereits seit fünf Jahren nicht mehr ausgezeichnet wurde. Andererseits als persönliche Genugtuung. „Ich habe jahrelang am Existenzminimum gelebt, da tut so ein Preis natürlich gut“, sagt Rebecca, und: „Es gibt mir die Bestätigung, dass es möglich ist, professionelle Tänzerin zu werden, auch wenn der Weg dafür nicht vorgezeichnet ist.“

Auch das Stück „Equality!“ das sich an ein junges Publikum richtet, hat die Coronapandemie überlebt: Nachdem es im Herbst vor reduziertem Publikum im Theater Roxy aufgeführt wurde, tourt es dieses Jahr durch die Schweiz und Berlin, bevor es im November wieder Heim ins Theater Roxy Birsfelden kommt.


*kreaB: *KlimaKontor will mit Kunst und Kultur Antworten auf die Klimakrise entwickeln. Wie soll das gehen?
Barbara Ellenberger:** Fakt ist: So wie wir jetzt leben, können wir nicht weitermachen. Das ist irgendwie auch eine bedrohliche Gewissheit. Um der Klimakrise zu begegnen, müssen wir alle Lebensbereiche transformieren. Dabei fehlt es uns nicht an Wissen, sondern an Erfahrung. Da können Kunst und Kultur helfen.

Wie das?
Ihre Aufgabe ist es, über gegebene Kontexte hinauszudenken und in bisher noch unbekannte Terrains vorzudringen. So können sie uns Erfahrungsräume bieten und neue Visionen aufzeigen. Ausserdem haben sie die wunderbare Fähigkeit, uns Mut und Lust auf das Neue zu verschaffen, uns zu inspirieren.

Als erste Aktion vom KlimaKontor haben sich zwei Künstler:innen mit Tauben für zehn Tage in der alten Billettkasse des Theater Basel eingenistet. Was konnte dieses Projekt bewirken?
Die Taubenaktion ist ein gutes Beispiel für einen Erfahrungsraum. Die Besucher:innen konnten vor Ort den Tauben, also einem anderen Wesen, auf Augenhöhe begegnen und hatten die Gelegenheit, diese unerwartet anders zu erleben, sich mit ihnen von Subjekt zu Subjekt zu verbinden. Das ist sehr ungewöhnlich, nehmen wir doch normalerweise unsere Umwelt eher als Dekoration oder Staffage wahr.

Sehen Sie Kunst und Kultur auch in der Verantwortung, sich dem Thema Klimawandel anzunehmen?
Unbedingt! Einerseits hat unsere westliche Gesellschaft ja einen riesigen CO2-Ausstoss verursacht, um auf das aktuelle Wohlstandsniveau zu kommen. Andererseits sind wir bisher fast komplett abgetrennt von den Auswirkungen des Klimawandels. Das Bewusstsein für die Konsequenzen unseres Handelns zu schärfen, ist meiner Meinung nach auch Aufgabe von Kunst und Kultur.

«Auch das Theater ist eingebunden in das Konkurrenzsystem unserer kapitalistischen Gesellschaft»

Sie kommen vom Theater, waren viele Jahre Theaterdirektorin. Was hat sie persönlich motiviert, das Projekt KlimaKontor zu gründen?
Da war dieses Erlebnis, als ich an einem Sommerabend mit offenem Fenster an meinem Schreibtisch sass und keine einzige Mücke vom Licht angezogen wurde. Schockartig ging mir der enorme Schwund der Insekten- und Vogelvielfalt unter die Haut . Also habe ich angefangen, mich mit anderen Kulturschaffenden, vor allem auch mit Luzia Schelling, der Ko-Initiatorin des KlimaKontors, zum Thema Klimawandel auszutauschen und zu vernetzen und so entstand die Idee, eine übergreifende Plattform zu gründen.

Hatten Sie keine Lust mehr auf das klassische Theater?
Ich hatte das Bedürfnis nach Veränderung. Auch das Theater ist ja eingebunden in das Konkurrenzsystem unserer kapitalistischen Gesellschaft. Jede Künstlerin, jeder Künstler und auch Institutionen müssen ständig die eigene Karriere oder Positionierung im Auge behalten, sich profilieren und die angesagten Diskurse bewirtschaften. Vielleicht kann da eine Plattform, die sich einem einzigen Thema widmet und ein klares gesellschaftspolitisches Ziel verfolgt, einen kleinen Freiraum schaffen? Denn eigentlich sind Theaterprojekte ja immer das Ergebnis eines kollektiven Prozesses. Und erst in den Köpfen – und hier hoffentlich auch in konkreten Handlungen – des Publikums finden sie satt. Auch im Bereich der Produktion setzt das KlimaKontor ganz aufs Kooperieren und Teilen von Ressourcen. Es verbindet Basler Kulturschaffende, Aktivist:innen, Wissenschaftler:innen und Zivilgesellschaft und schafft Synergien.

Foto: Ingo Hoehn


Programm? Welches Programm? Wie füllt man eine Kulturzeitung in Zeiten einer Pandemie? Die Kultur bekam die Einschränkungen des öffentlichen Lebens in der Corona-Krise immer zuerst zu spüren. Infektionsgeschehen eindämmen, Veranstaltungen verkleinern und bald mal ganz einstellen. Konzert gestrichen, Kino geschlossen. «Seit meinem Antritt im März hatte ich gerade mal zwei Monate, die irgendwie normal waren», sagt Sabine Knosala.

Die 45-Jährige hat die Redaktionsleitung der Programmzeitung unmittelbar vor dem ersten Lockdown übernommen. Die 1987 gegründete Zeitung, die elfmal im Jahr gut 4000 kulturaffine Haushalte erreicht, ist eine Institution des Basler Kulturlebens und inzwischen das einzige publizistische Erzeugnis in der Region, in der das Basler Kulturschaffen in all seinen Facetten noch abgebildet wird. Die Kulturredaktionen der regionalen Tagespresse sind längst dem Strukturwandel zum Opfer gefallen, der die Medienbranche von einem ins nächste Sparprogramm treibt.

«Wir sind ein Sprachrohr für Veranstalter und die Kulturszene im Allgemeinen und wollen Kulturinteressierte informieren», erklärt Knosala die Mission der Programmzeitung. Sie finanziert sich über Inserate, bezahlte Beiträge von Kulturveranstaltern und die Erträge aus Abonnementen und dem Kioskverkauf. Es braucht wenig Fantasie, um zu begreifen, dass Corona rasch zur existenziellen Bedrohung für die Programmzeitung wurde.

«Wir sind ein Sprachrohr für Veranstalter und die Kulturszene im Allgemeinen und wollen Kulturinteressierte informieren»

Kurzarbeit war rasch angemeldet, ein Gesuch für Ausfallentschädigung wurde aber im Frühsommer ohne Rekursmöglichkeit abgelehnt. Ein Fehler, wie sich später herausstellen sollte. Der SRF Medientalk beleuchtete im Herbst die Situation der Schweizer Kulturmagazine und stellte fest, dass nicht alle Kantone gleich knausrig sind.

Auch der Bund hatte mitgehört und hat dieser Ungleichbehandlung jetzt einen Riegel geschoben. Zu Recht. Kulturzeitungen sind Nischen-Erzeugnisse, die eben nicht losgelöst von der Kulturszene, über die sie berichten, existieren können. Sie sind daher nicht einfach ein beliebiges Medienprodukt, sondern eben selbst auch Kulturvermittler. «Jetzt wurde unser Gesuch doch noch angeschaut und wir erhalten Ausfallentschädigung rückwirkend und für die zweite Welle.» Sabine Knosala ist die Erleichterung anzuhören.

Endlich kann sie sich aufs Wesentliche, den Inhalt konzentrieren. Den musste die erfahrene Journalistin auch ziemlich rasch neu erfinden. «Möglichst viel Aktuelles zur Kultur, aber nicht anlassbezogen», heisst das Rezept zur publizistischen Pandemiebewältigung. Ja, es gibt auch noch CDs und Bücher zu besprechen. Aber Kulturjournalismus müsse in solchen Zeiten über den Tellerrand hinaus denken. Mehr Interview, mehr Introspektive. Das Programm blüht dann im Frühling wieder auf.

Die nächste Programmzeitung erscheint am 25. Februar. Sie ist im Abo für 88 Franken pro Jahr erhältlich.

Ein Text von Lukas Hausendorf



Noch mehr Information zur Programmzeitung: SRF Medientalk: Die Krise der Kulturmagazine


Als Konzerte dann abgesagt wurden, gab es zwar Video-Aufnahmen, doch zufriedenstellend waren diese nicht. Denn dabei sitze jeder zuhause an seinem miserablen Computermikrofon und singe eine Stimme. Im Anschluss werden die Audiospuren übereinandergelegt. Eines ihrer Ensembles hat das Format dennoch geändert. Statt der geplanten Konzerte gibt es jetzt Podcasts oder CDs. mirjam-striegel.de

In der Berufswelt von Alba Carbonell Castillo (Tänzerin und Choreographin) ist Home-Office auch kein Begriff. «Wir machen etwas, um es auf die Bühne zu bringen.» Die Zuschauer sollen ihr Leben für einen Moment vergessen und geniessen, was sie sehen. Ausserdem sei die Bewegung und das Gefühl des Publikums für die Künstler wichtig. «Du gibst mehr, wenn du die Leute spürst». An einem digitalen Format ist sie nicht interessiert. Für sie liegt die Magie in dem Moment, der einzigartig ist. Sie arbeitet mit Emotionen, die im Raum und auf der Bühne entstehen.

Im letzten Jahr hat sich für Alba viel verändert. Zwar hatte das mit der Pandemie eigentlich nichts zu tun, doch durch die abgesagten Shows fand sie die Zeit, um nachzudenken und sich auf das Kreieren zu konzentrieren. Und so beschloss die gebürtige Spanierin als Tänzerin am Theater Basel aufzuhören und freiberuflich als Choreografin tätig zu werden. Den Schüler*innen des Theaters bleibt sie jedoch als Lehrerin erhalten. Als Tänzerin tritt sie zukünftig in ihrer selbstgegründeten Kompanie «Snorkel Rabbit» auf. Weiter erzählt sie, dass sie im letzten Jahr viel unterwegs war. Für ein Projekt am Bolshoi Ballett Theater flog sie nach Moskau, für eines am Scapino Ballett reiste sie nach Rotterdam, und es folgten Aufträge für das Ballet du Rhin in Mulhouse sowie für die ZHdK. Möglich gewesen sei das viele Reisen, und auch das Proben, durch ständige Covid-Tests. Demnach hatte Alba das Glück, im Jahr 2020 einige Werke ins Leben zu rufen. Das Traurige ist, dass nur ein Bruchteil davon aufgeführt wurde. «Für die Tänzer ist das hart. Wofür arbeiten sie? Um auf die Bühne zu gehen, ohne dass es jemand sieht? Nein! Dennoch trainieren sie, bleiben in Form und arbeiten weiter, ohne Ziel.» Wichtig sei, in dieser Zeit der Ungewissheit positiv und kreativ zu bleiben und das Gehirn in Aktion halten.

Mirjam schaut weniger hoffnungsvoll auf das kommende Jahr. «Wenn die Krise zu viel gekostet hat, dann ist die Kultur das erste, woran gespart wird.» Schliesslich sei in vielen Köpfen verankert, dass Kultur ein Luxusgut ist. Zurzeit schätzt die Sängerin jedoch die Ruhe und die Möglichkeit, einmal aus dem Hamsterrad rauszukommen. Für die Zukunft wünscht sie sich ein Umdenken, gerade in Bezug auf Konsum, und eine solidarische Gesellschaft, in der nicht jeder sein eigenes Ding macht, sondern auch etwas für andere tut, sowie für die Umwelt. alba-castillo.com

Für die Zukunft wünscht sie sich ein Umdenken, gerade in Bezug auf Konsum, und eine solidarische Gesellschaft, in der nicht jeder sein eigenes Ding macht, sondern auch etwas für andere tut, sowie für die Umwelt.

Kreativschaffende wie Mirjam und Alba, deren Arbeit auf dem menschlichen Körper und der Präsenz anderer beruht, trifft die Pandemie besonders hart. Für diejenigen, die mit dem Computer arbeiten, ist Homeoffice keine Sache der Unmöglichkeit. Dies verdeutlicht der Vergleich mit einer Grafikerin, einer Szenografin und einem Architekten.



Lukas Schirmann (Architekt) schätzt am Homeoffice, mehr Zeit für die Familie zu haben. Er hofft, dass ein flexibles und ortsungebundenes Arbeiten auch in Zukunft möglich sein wird. Zudem wünscht er sich ein Umdenken in Bezug auf Teilzeitarbeit. «Die Krise hat uns gelehrt, dass sehr viel möglich ist.» Wenn das Team dahinterstehe, sei es umsetzbar, mit Einbussen, aber auch mit Gewinn. «Anstatt an alten Strukturen festzuhalten, sollten wir die Bereitschaft für das Ausprobieren beibehalten.» Zudem hat Lukas ein neues Tool für sich gewonnen: das iPad. «Die Arbeit ist effektiver und effizienter, denn die Architekturpläne können am Display leichter korrigiert und verschickt werden.» Gleichzeitig helfe es, der Papierflut entgegenzuwirken und Ordnung zu halten. Dass die Architekt*innen komplett vom Papier wegkommen, glaubt Lukas allerdings nicht. Am Bildschirm bestehe die Gefahr, den Massstab zu verlieren, da man gefühlt unendlich zoomen kann. Deshalb seien Modelle und gedruckte Pläne weiterhin wichtig. selva-arch.ch



Esther Stute (Grafikdesignerin) sieht das Homeoffice weniger positiv. «Man hat sich mit der Situation arrangiert und es funktioniert, aber ich sehe nicht unbedingt etwas Positives an der Situation, abgesehen davon, morgens 15-20 Minuten länger schlafen zu können oder nicht bei strömendem Regen aus dem Haus zu müssen.» Dabei spiele auch das Alleinwohnen eine Rolle. Die Grafikdesignerin vermisst den direkten Austausch mit den Kolleg*innen, die zugleich Freunde sind, und das Unterwegssein am Wochenende. Normalerweise sei das ihr Ausgleich. Stattdessen gehe sie nun öfter raus in die Natur oder mache lange Velorunden. «Ich habe meine Umgebung mehr zu schätzen gelernt und schöne Orte zum Durchatmen entdeckt, die vorher in dem Alltagstrubel nicht aufgefallen sind.» suan.ch



Für Tanya Eberle (Szenografin/Innenarchitektin) hat sich durch die Pandemie beruflich wenig geändert. Im Home-Office habe sie schon zuvor gearbeitet. Nur die Kommunikation laufe anders. «Statt Treffen gibt es Zoom-Calls oder Emails.» Zwei Projekte wurden aufgrund von Corona gecancelt. Doch glücklicherweise hatten sie und ihr Partner Samuel Strässle – gemeinsam führen sie das Studio Streberle – genügend Kleinaufträge, die sie über Wasser gehalten haben. Bisher habe es gut funktioniert, doch langfristig machen sie sich Gedanken. «Ich habe dieses Jahr die Zeit genutzt und eine Weiterbildung im Bereich Grafik begonnen», erzählt Tanya. Durch das Anbieten von Komplettlösungen – vom Konzept bis zur Planung und Realisierung, einschliesslich der Grafik – möchten sie sich von anderen abheben. Auch eine Vergrösserung ihrer Werkstätten sei angedacht. Auf die Frage «Was würdest du aus der Zeit der Pandemie für die Zukunft mitnehmen?» antwortet Tanya: «Ich möchte mehr Zeit in der Natur verbringen. Gerade im kreativen Bereich kommen die besten Ideen, wenn man kurz raus an die frische Luft geht.» streberle.ch

Ein Text von Elena Haschemi Schirazi


Stefan Wittlin, SP, Architekt. Im GR seit 2017
Was konntest du in der Vergangenheit als GR für die Architektenschaft in Basel tun? Wo willst du dich künftig stärker einsetzen?
Wir führten eine jahrelange Debatte über die Rolle der Stadtbildkommission. Ich habe mich sehr aktiv dagegen gewehrt, dass ihr die Entscheidungskompetenz abhandenkommt. Die Verordnung wurde nun zwar in diese Richtung angepasst, aber immerhin konnten wir verhindern, dass diese Abwertung im Bau- und Planungsgesetz festgeschrieben wird. Wie in der vergangenen Periode werde ich mich auch künftig für gute Rahmenbedingungen für eine hochwertige Baukultur einsetzen.

Welche Rahmenbedingungen braucht es für Nachwuchsarchitektinnen?
Der Grosse Rat ist nicht nur gesetzgebendes Gremium, sondern entscheidet auch über kantonseigene Bauprojekte. Gerade wir Mitglieder der Bau- und Raumplanungskommission können dazu beitragen, dass bei Varianzverfahren mehr junge Architekturschaffende zum Zug kommen. Ich denke dabei insbesondere an kleinere Bauvorhaben, die auch ohne ausgedehnte Bürostruktur zu stemmen sind.*

Sasha Mazzotti, SP, Kindergärtnerin und Theaterschaffende. Im GR seit 2017
Wie willst du dich als Grossrätin künftig für Kulturschaffende einsetzen?
Als freiberufliche Theaterschaffende sehe ich meine Aufgabe auch darin, die Lobby und das Verständnis für die freie Kulturszene zu stärken und gemeinsam mit anderen Kulturschaffenden Ideen zu entwickeln. Beispielsweise neue Theaterstrukturen oder für eine Stärkung und Institutionalisierung der Kulturpädagogik zu kämpfen. Im Präsidialdepartement gibt es nun einen Wechsel. Ich sehe mit dieser Veränderung Chancen, dass wir mit unseren Anliegen nicht nur Gehör finden, sondern auch etwas Konkretes bewirken können. Ich habe auch vermehrt vor, das politische Tool der Vorstösse zu nutzen. Längst fällig ist beispielsweise die Klärung der Schnittstelle und der Zusammenarbeit des Präsidialdepartements und des Erziehungsdepartements bezüglich "Kultur an den Schulen“.

Die Coronakrise ist eine grosse Herausforderung für die gesamte Kulturbranche. Welche Massnahmen braucht es für Kulturschaffende?
Die Coronakrise zeigt das grobmaschige soziale Sicherheitsnetz der Kulturschaffenden auf. Wer zu den branchenüblichen Bedingungen von Projekt zu Projekt lebt, kann wenig auf die hohe Kante legen. Da die Krise kein absehbares Ende hat, ist auch das dünne Polster bald aufgebraucht und viele können nicht kurzfristig umsatteln. Es schreit fast danach, dass wir die Idee des Grundeinkommens wieder diskutieren, und dass wir national handeln und nicht nur auf Kantonsebene. Unsere Kultur muss als Treibhaus für unsere gesellschaftlichen Entwicklungen erhalten bleiben. Obwohl, und das meine ich nicht als Trost, es ein Vorteil ist, dass Kulturschaffende so kreativ, innovativ und flexibel sind. Es ist nun an der Politik, in Zusammenarbeit mit den Verbänden und der Verwaltung zu sorgen, dass sie auch in Zukunft von ihrer Arbeit leben können.

Laurin Hoppler, GB, Student Soziokulturelle Animation, im GR ab 2021
Du bist mit 19 Jahren aktuell der jüngste Grossrat. Was braucht die Basler Jugend?
Meiner Meinung nach braucht die Basler Jugend mehr Freiraum! Orte, an denen man seine eigenen Projekte realisieren oder eine Party feiern kann. Es ist dringend nötig, dass die Jugendkultur mehr gestärkt wird - darum setze ich mich unter anderem für die Trinkgeld-Initiative in Basel ein. Auch die Senkung des Stimm- und Wahlrechts auf 16 Jahre liegt mir sehr am Herzen. Da wir uns immer mehr auf eine Gerontokratie zubewegen, ist diese längst überfällig.

Wie steht es um die Jugendkultur in Basel?
Es gibt einige Förderfonds, bei denen man Geld beantragen kann. Doch es ist noch immer zu wenig. Die Hochkultur hingegen wird stark finanziert. Aber: "Ohne Jugendkultur keine Hochkultur!" Viele junge Künstler*innen müssen sich mit schlechten Gagen zufriedengeben. Zudem erreichen die vielen Angebote, welche auch genutzt werden, längst nicht alle Gesellschaftsschichten. Dem sollte entgegen gewirkt werden!


*kreaB: *Wie geht es den Basler Kulturschaffenden momentan?
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Katrin Grögel, Sonja Kuhn: Kulturschaffende und Kulturbetriebe haben schwierige Monate hinter sich und weiterhin unsichere Zeiten vor sich. Im internationalen Vergleich geht es aber den Kulturszenen in Ländern mit einem relativ gut ausgebauten Sozialversicherungssystem und Sondermassnahmen zur Abfederung der gravierenden Auswirkungen der Corona-Epidemie vergleichsweise gut. Wir sind beeindruckt von der Energie, dem Willen und der Kreativität der Kulturszene in diesen fordernden Zeiten, Projekt zu entwickeln und zu realisieren.
 
Wie und wo machen sich die Langzeitfolgen der Coronakrise besonders bemerkbar?
Darüber können wir erst spekulieren – muss doch leider davon ausgegangen werden, dass die Einschränkungen für Tourneen, Gastspiele, Spiel- und Ausstellungsbetriebe, Veranstaltungen und Projektzusammenarbeiten noch mindestens bis ins Jahr 2021 anhalten werden. Wir werden uns alle einer neuen Realität stellen müssen. Unsere Rolle sehen wir darin, diese Entwicklung zugunsten der Kulturschaffenden und Kulturbetriebe zu begleiten und uns für allfällig notwendige Anpassungen von Rahmenbedingungen einzusetzen.

Viel wurde über die Systemrelevanz einzelner Branchen gesprochen. Die Kultur gehörte laut Bundesbern nicht dazu. Wie beurteilen Sie die Systemrelevanz von Kultur?
Wenn man von Systemrelevanz spricht, so sollte man sich bewusst sein, dass es nicht nur ein System gibt. Wir sind zu 200 Prozent überzeugt von der gesellschaftlichen Relevanz eines vielfältigen und qualitativ hochstehenden Kulturangebots. Eine Gesellschaft ohne Kultur ist schlicht undenkbar. Künstlerinnen und Künstler, Kulturschaffende und alle, die dazu beitragen, geteilte Erfahrungen in diesem gemeinsamen Raum möglich zu machen, leisten einen wichtigen Beitrag. Aktuell zeigen sich allerdings an der Situation von Kulturschaffenden und Kulturbetrieben die Schwächen des Sozialversicherungssystems überdeutlich. Denn der Kulturbetrieb basiert zu hohem Mass auf flexiblen Arbeitsverhältnissen, in denen viele Freischaffende auf niedrigen Lohnniveaus beschäftigt werden.

Wie könnten sich Kulturschaffende künftig besser gegen Krisen wie diese wappnen?
Wir sehen aktuell, dass viele Kulturschaffende in der Vergangenheit wenig investiert haben in ihre soziale Sicherheit. So versuchen Selbständigerwerbende in der Regel, so hohe Abzüge wie möglich geltend zu machen und geben bei der Steuer und der Ausgleichskasse möglichst niedrige Einkommen an. Das ist nachvollziehbar, führt aber in der aktuellen Situation dazu, dass diese Personen nur sehr niedrige Taggelder erhalten. Ein zweiter Punkt, den wir in den letzten Monaten beobachten konnten: die Arbeit der Verbände, ihr Engagement in der Bewusstmachung und im Lobbying für die Interessen der Kulturschaffenden ist enorm wichtig!

Viele Kulturschaffende sehen sich aktuell gezwungen, sich nach einer anderen Tätigkeit umzuschauen. Was können Sie betroffenen Kulturschaffenden mitteilen, das Hoffnung macht?
Viele Kulturbetriebe sind sehr solidarisch mit den Kulturschaffenden und entwickeln spezifische Veranstaltungsformate, um Auftritte und Engagements unter den aktuellen Bedingungen zu ermöglichen. Unsere reguläre Fördertätigkeit wird mit Umsicht und im Bewusstsein um ihre erhöhte Relevanz weitergeführt. Die Ausfallentschädigungen für entgangene Honorare, die unsere Abteilung aktuell im Auftrag des Bundes und des Kantons bearbeitet, fangen Einnahmenausfälle von Selbständigerwerbenden auf. Aktuell wird auf Bundesebene das COVID-Gesetz diskutiert, das vorsieht, auch im Jahr 2021 noch Massnahmen zur Sicherung des unmittelbaren Lebensunterhalts von Kulturschaffenden anzubieten (Suisseculture Sociale). Sie sehen: Verwaltung, Kulturinstitutionen, Verbände und die Politik setzen sich vereint und engagiert dafür ein, die negativen Auswirkungen der Pandemie auf das Kulturschaffen abzufedern.


Wie fühlt sich ein Baum, der frisch von der Baumschule auf einen Verkehrskreisel verpflanzt wird? Mit dieser Frage beschäftigt sich ein Text, den ein junger Basler Poet für die Ausstellung «Plan B. Bäume als Partner für eine klimafreundliche urbane Zukunft» verfasst hatte. Die Ausstellung widmet sich mit künstlerischen Werken auf unterschiedlichste Art dem Stadtbaum. «Die Stadtbäume sind im Vergleich zu den Waldbäumen die Underdogs», sagt Julia Sommerfeld, die Kuratorin der Ausstellung. Sie seien weniger beachtet, können sich kaum mit Artgenossen vernetzen – und leisten doch einen essentiellen Beitrag für das Klima und die urbane Lebensqualität. So produziert eine einzige ausgewachsene Eiche Atemluft für 26 Menschen und beherbergt bis zu 1000 Insektenarten, wie Yvonne Aellen, Leiterin Grünflächenunterhalt des Kantons Basel-Stadt in einem Videointerview erzählt.

«Die Stadtbäume sind im Vergleich zu den Waldbäumen die Underdogs»

Doch nicht nur der Mensch atmet den Sauerstoff ein, den die Bäume freisetzen. Auch die Bäume atmen mit ihren Stomata, den Zellen unterhalb ihrer Blätter. Wie das aussieht, wird mit sinnlichen Videoaufnahmen von der Künstlerin Daniela Vollmer veranschaulicht. Auch zu hören gibt es an der Ausstellung etwas: Zwei Künstler haben Daten einer DNA-Sequenz verschiedener Säugetieren, Insekten, Bakterien oder Pilzen, allesamt Baumbewohner, in Musik übersetzt, die in dem Ausstellungspavillon im Hintergrund abgespielt wird. In einer anderen Ecke veranschaulicht eine textile Installation mittels Siebdruck den kühlen Schattenwurf der Bäume und sein Aufeinandertreffen mit der urbanen Infrastruktur.

Ausstellung soll BesucherInnen aktivieren
Für Kuratorin Julia Sommerfeld ist klar: «Die Umwelt braucht Kunst und Kultur», denn diese haben die Möglichkeit, «die dringlichen Fragen des Klimawandels auf eine andere Weise zu stellen und anders zu berühren, als herkömmliche Informationsvermittlung». Deshalb hat die studierte Kultur- und Designwissenschaftlerin den Verein «Zentrale für Umweltausstellungen» gegründet, diese Ausstellung soll nur der Anfang von weiteren sein. Dabei will sie die BesucherInnen nicht nur informieren, sondern auch aktivieren. «Die Ausstellung gibt auch lokalspezifische Fakten mit: Wo kann ich mich für Stadtbäume engagieren, wie ist die Gesetzeslage, was für Vereine gibt es?» Eine Kiosk-Wand in der Ausstellung gibt praktische Tipps dazu. In einer Archiv-Slideshow hat Julia ausserdem zusammengetragen, welche Bürgerinnen und Bürger von Basel sich in der Vergangenheit wie für Stadtbäume eingesetzt haben. «Das kann andere inspirieren», sagt sie. Die Recherche hat sie auch selbst inspiriert: Heute ist Julia stolze Patin einer schmalblättrigen Purpur-Esche der Stadt Basel. Eine von vielen Möglichkeiten, den Stadtbäumen etwas zurückzugeben.

Bild: © Swen Keller


Das Basler Kabarett-Duo und Ehepaar Salomé Jantz und David Bröckelmann über ihre Motivation, ein Theater unplugged für Risikopatienten auf die Beine zu stellen.

„Vier Stunden vor der Premiere kam das Telefonat: alles abgesagt. Das war ein Schock. Wir hatten eineinhalb Jahre auf das Programm „Bröckelmann und Bröckelfrau, 19:57 Gleis 12“ hingearbeitet, viel Energie und Geld investiert. Auch historische Stadtrundgänge und einige Galas wären geplant gewesen, unsere Auftragsbücher waren noch nie so gefüllt. Insgesamt wurden rund 120 Vorstellungen durch die Coronakrise gecancelt. Doch wir mussten uns eingestehen: Es geht jetzt nicht.

Also sind wir viel spazieren gegangen, haben heruntergefahren und nachgedacht: Wie können wir die Zeit sinnvoll nutzen? Wir wollten unseren Beruf nicht ganz ruhen lassen. In dieser Zeit hat uns eine Bekannte gefragt, ob wir etwas zu ihrem 77. Geburtstag aufführen würden - draussen und aus sicherer Distanz. Das brachte uns auf die Idee, ein Theater unplugged für Risikopatienten ins Leben zu rufen.

"Wie das Theater der Zukunft aussehen wird, ist für uns noch völlig offen."

Unser erster Auftritt war in einer Alterssiedlung in Horgen, in einem grossen Aufenthaltsraum. Dort haben wir etwas aus unserem alten Repertoire aufgeführt für ein Ehepaar, die beide 90 Jahre alt wurden und gleichzeitig ihren 68. Hochzeitstag feierten. Das hat ihnen so viel Freude gemacht und auch für uns war es sehr befriedigend, in dieser Zeit etwas geben zu können. Für die alten Menschen war die Zeit des Lockdowns sehr schwierig, ihre Einsamkeit wurde durch die Isolation verstärkt. Die wenigen sozialen Kontakte, die sie davor noch beim Einkaufen oder in der Cafeteria pflegten, waren auf einmal verboten. Diese Einsamkeit von Seniorinnen und Senioren ist jedoch über die Coronakrise hinaus ein Thema und deswegen hoffen wir, dass das Theater unplugged auch in Zukunft noch Bestand haben wird.

Bald haben wir noch einen Auftritt in einem Alters- und Pflegeheim. So langsam geht es jedoch mit unserem Programm wieder los. Im Sommer fangen die Rundgänge an, am 16. September holen wir unsere Premiere im Theater Fauteuil nach - wenn alles gut geht. Zwar hört man jetzt überall, die Krise sei vorbei. Aber wir glauben das noch nicht so ganz. Wie das Theater in Zukunft aussehen wird, ist für uns derzeit noch völlig offen.“


Jasmin Albash, Jazz- und Popmusikerin aus Basel, über Kreativität in Krisenzeiten und warum Hinterhof-Konzerte einen ganz besonderen Reiz auf sie ausüben.

„Das Schlimmste war, dass man nicht wusste, wie lange das alles dauert. Jetzt wäre ich eigentlich in Südkorea mit meiner Band Kallemi am Peace Train Festival, auch fürs Glastonbury Festival in England wären wir gebucht gewesen und für ein Konzert in Frankreich. Als dann der Lockdown kam, ist nicht nur das weggefallen, sondern noch alle anderen Engagements, wie etwa das als Gesangslehrerin. Zwar habe ich die Ruhe und die leeren Strassen genossen, auch die Natur hat mich sehr fasziniert in dieser Zeit. Aber als ich dann für das erste Hinterhofkonzert angefragt wurde und dafür zu üben begann, merkte ich, wie sehr ich das vermisst hatte.

Ich habe zweimal in einem Hinterhof gespielt und es war ein rundum positives Erlebnis. Es ist eine andere Energie und Aufmerksamkeit, die einem entgegenkommt. Ich ging quasi mit meinem Sound zu den Leuten, nicht sie kamen zu mir. So konnte ich ein neues Publikum erreichen, Menschen verschiedener Generationen, die sonst vielleicht keinen Zugang zu meiner Musik hätten.

"Die physische Anwesenheit des Publikums ist für mich unersetzbar."

Einmal gab ich ein Streaming-Konzert über die Online Plattform SIMS ONLINE, was eine interessante Erfahrung war. Aber da fehlt das Feedback komplett. Die physische Anwesenheit des Publikums ist für mich persönlich unersetzbar. Bei den Hinterhof-Konzerten spürte ich die Verbindung zwischen mir und den Zuhörer*innen und das war wohl für beide Seiten sehr schön. Geholfen hat sicher auch, dass wir in dieser Zeit alle im gleichen Boot sassen, das schuf eine Verbundenheit. Diese Art von Konzerten würde ich auch gerne in Zukunft weiterhin anbieten.

Kreativität folgt einer inneren Uhr
Womit ich allerdings Mühe hatte war, dass viele meinten, „du bist doch Künstlerin, jetzt hast du ja Zeit für Kreativität“. Dabei geschieht das nicht auf Knopfdruck. Wenn ich als Künstlerin etwas zu sagen habe dann nicht, weil die ganze Welt gerade eine Krise durchmacht. Die Kreativität folgt zumindest bei mir einer inneren Uhr und entsteht meistens nicht aus der Aktualität, sondern ist Teil eines Prozesses. Kreativität fliesst dann, wenn ich was zu sagen habe, wie zum Beispiel mit meinem neuen Soloalbum Gold, auf dem ich mich mit meinen palästinensischen Wurzeln auseinandersetze. Die Plattentaufe dazu ist im Oktober in der Kaserne. Noch kann ich mir nicht vorstellen, wie die Konzertatmosphäre dann aussehen wird. Sicher wird es speziell, aber speziell gefällt mir meistens eigentlich ganz gut.“

Plattentaufe Rossstall II Kaserne: 24.10.2020


Balkon als Bühne, Nachbarschaft als Publikum
Der Hinterhof wird von den Stadtbewohnerinnen- und bewohnern noch immer stiefmütterlich behandelt und stellt normalerweise einen kaum beachteten Freiraum dar. Diese Introvertiertheit ist der Gegenpol zur Strassenseite, wo sich das alltägliche, öffentliche Leben abspielt und der Verkehr fliesst. Doch durch den verordneten Corona-Lockdown entleerte sich diese Strassenseite auf einmal. Besonders die Aktivitäten von Kreativschaffenden verlagerten sich entweder ins Internet – oder drängten auf einmal in die Hinterhöfe. Denn dort traf man die Nachbarschaft, die durch die Schutzmassnahmen ebenso isoliert lebte, und es entstand ein Austausch von Bedürfnissen:

Der Balkon wurde zur neuen Bühne, die Nachbarschaft zum Publikum. Musikdarbietungen, Vorlesungen und Balkongespräche konnten im neuen „Theater Hinterhof“ verfolgt werden, einige angekündigt, andere spontan. Hier konnte man sich mit genügend Abstand treffen und dennoch nahe sein.

"Es ist beeindruckend, wie sich die Kreativität nicht unterkriegen lässt und immer einen Weg findet, sich auszudrücken"

In meinem Hinterhof gab es eine spontane Darbietung eines Bluesmusikers, der auf seiner Gitarre den Hof zum Erklingen brachte. Anderntags hat ein DJ seine Maschinen angeworfen und die Lautsprecher in den Hof gedreht. Die Technobeats drangen bei mir in die Wohnung und als ich zum Fenster gelangte, sah ich eine belebte Balkondisco, zu der sich ein paar Menschen bewegten. Es ist beeindruckend, wie sich die Kreativität nicht unterkriegen lässt und immer einen Weg findet, sich auszudrücken. Gleichzeitig bot das nach innen – und in den Innenhof – gekehrte Leben uns die Möglichkeit, die eigenen Mitbewohner oder die Nachbarinnen besser kennenzulernen.

Introvertiertheit vs. Ausdruckswille
So transformierten sich in der Coronakrise die intimen Innenhöfe zur Arena. Die Architekturelemente Balkon und Terrasse wurden einer Art Umnutzung unterzogen – sie konnten sich je nach Situation von einer privaten Sitzgelegenheit zu einer Bühne oder Zuschauertribüne wandeln. Es gibt verschiedene Arten von Balkonen: Solche, die vorstehen und eine perfekte Plattform bilden und solche, die ins Gebäude eingezogen sind, die Loggien, die introvertiert sind und sich weniger als Ausdrucksort anbieten.

Die Coronakrise bot uns die Möglichkeit, das Potenzial der Hinterhöfe (wieder) zu entdecken, egal ob brachliegende Grünlandschaft oder betonierter Parkplatz. Gerade in Zeiten von Verdichtung und Pandemien ist der Hinterhof für den Stadtorganismus essentiell. Die Belebung zeigt, wie wertvoll der nachbarschaftliche Austausch ist, um die Lebensqualität zu erhalten oder zu erweitern. Solange wir auf uns achten, hören und miteinander kommunizieren – auch wenn es ab und an im Hinterhof zu lärmigen Situationen und Reibungen kommt.
Elias Aurel Rüedi

Elias ist Architekt und Autor des Buches „Fokus Hinterhof – Einblicke und Perspektiven“ das sich mit der Frage auseinandersetzt: Wo liegt das Potenzial von Hinterhöfen und in welche Richtung könnten sie sich entwickeln? CMV, voraussichtlicher Erscheinungstermin Herbst 2021


Mitgliederporträt: Sicher ist dir unsere social media-Adventsaktion noch in bester Erinnerung. Da knüpfen wir an! Hast du Lust, dich, deine Dienstleistungen und Produkte einem weiteren Kreis vorzustellen? Monatlich werden wir ein Mitglied auf unseren social media-Kanälen porträtieren. Wenn Du eine*r der er ersten sein möchtest, schreibe gleich eine email an info@kreab.ch und wir nehmen mit Dir Kontakt auf!

kreaB-Mitgliederagenda: Noch liegt das kulturelle Leben lahm, aber der Frühling nähert sich mit Riesenschritten. Neu werden wir in der Agenda auf unserer kreaB-Homepage noch spezifischere Veranstaltungshinweise aus der Basler Kreativwirtschaft geben. Mit einer Mail an agenda@kreab.ch publizierst du deine Kulturevents, Ausstellungen, Vorträge, Lesungen, Führungen, Seminare, Workshops und Diskussionsrunden in unserer Agenda. Eingabeschluss ist jeweils der 1. und 3. Freitag des Monats.

Und das ist nur der Anfang. Schon bald melden wir uns mit weiteren Neuigkeiten. Wir danken dir und unserer ganzen Community für das Engagement und den Support und freuen uns, auch in Zukunft für dich da zu sein.


„Mit allen Kräften stemmt sich die Weltbevölkerung gegen die Pandemie und wird sie auch zurückdrängen. Doch diese humanitäre Katastrophe wird uns Jahrzehnte beschäftigen. Die Vollbremsung des öffentlichen Lebens war und ist wichtig, sie setzte uns aber eine Wegmarke, die wir nicht so schnell verwischen können.

Verständlicherweise ist der Wunsch nach Normalität gross und der Ruf nach Lockerungen nachvollziehbar. Viele Menschen leiden unter der Isolation, dem Verlust der Arbeit und der unsicheren Zeit, die vor uns steht. Und viele Menschen sind noch tatkräftig dabei, das Leben für alle aufrecht zu erhalten - im Kleinen wie im Grossen.

Was kann die Kreativwirtschaft für unsere Zukunft leisten? Schafft sie es, auf kreativer Ebene, analog und digital, so zu wirtschaften, dass Sinn, Freude und Zufriedenheit bei Vielen entsteht? Nutzen wir die neuen Blickwinkel und Erfahrungen dafür, uns zu fragen, was mehr Zeit, Raum und Sorgfalt braucht? Sortieren wir neu, was notwendig ist und auf was wir verzichten? Und findet dann Neues auch Gehör und die Chance, gelebt zu werden?

"Es wäre ein wirklicher Fortschritt, nicht zur Normalität zurückzukehren."

Oder glauben wir immer noch, diesen heillosen Wohlstand in alter Manier weiter steigern zu müssen? Wir wissen über die Missstände dieser Welt. Wir nehmen unsere Verantwortung dafür selten wahr. Wann - wenn nicht jetzt - handeln wir konsequenter?

Zurück zur Normalität? Wir sprechen von Normalität und wissen, den reichsten 0,9 Prozent der Weltbevölkerung gehört über 43,9 Prozent des weltweiten Vermögens. Wir sprechen von Normalität und zahlen Frauen für die gleiche Arbeit einen geringeren Lohn wie Männern. Wir sprechen von Normalität und grenzen Menschen aus. Wir sprechen von Normalität und zerstören unsere Lebensräume.

Was zählt, ist der Profit. Ist das Zivilisation? Nennen wir das Fortschritt?

Wenn wir von der Normalität sprechen, die hier und weltweit soviel Ungerechtigkeit, Chancenungleichheit, Zerstörung unserer Lebensgrundlagen und sinnlosen Konsum umfasst, wäre ein wirklicher Fortschritt, nicht zur Normalität zurückkehren. Ich wünsche mir, die Kreativwirtschaft setzt ihr Potential für diesen gesellschaftlichen Prozess ein.“


„Seit Beginn des Lockdowns ist mein Einkommen für die nächsten paar Monate weg. Alle Produktionen wurden abgesagt, alle Gastspiele, bei denen ich mitgearbeitet hätte, gestrichen. Neue Aufträge werden ebenfalls keine reinkommen in der nächsten Zeit, man weiss ja nicht, wann wieder Veranstaltungen stattfinden können.

Ich bin seit zehn Jahren freischaffende Kostüm- und Maskendesignerin. Das ist kein Beruf bei dem man viel verdient, aber ich bin zufrieden, dass ich davon leben kann. Dass von einem Moment auf den anderen alles vorbei sein kann, das hat mir schon zu denken gegeben.
Von der Ausgleichskasse bekomme ich nun 31.20 Franken am Tag. Damit kann ich gerade die Miete des Ateliers zahlen – that’s it. Das Problem: Bei Selbständigen wird bei der Berechnung des Taggelds das Nettoeinkommen berücksichtigt, also jenes Einkommen, das nach Abzügen aller Fixkosten entsteht und daher meist relativ tief ausfällt.

Das tiefe Taggeld gibt mir auch das Gefühl, nicht als vollwertiges Mitglied dieser Gesellschaft ernst genommen zu werden."

Also bin ich kreativ geworden und habe angefangen, meinen Fundus an Kostümen und Masken auf Instagram zu verkaufen. Dazu habe ich kleine Fotostrecken oder Videos gedreht die mir zu der aktuellen Situation eingefallen sind. Daneben nehme ich alle Jobs an, die ich bekommen kann. Mache Garten- oder Renovationsarbeiten bei Bekannten, um mich irgendwie über Wasser zu halten. Zum Glück haben meine privaten Vermieter mir eine Monatsmiete geschenkt, das ist Gold wert! Im Gegenzug schleife ich das Treppenhaus.

Das tiefe Taggeld der Ausgleichskasse ist nicht nur finanziell problematisch. Es gibt mir auch das Gefühl, nicht als vollwertiges Mitglied dieser Gesellschaft ernst genommen zu werden. Gerade die Kulturschaffenden waren es doch, die kurz nach dem Lockdown aktiv wurden und Konzerte, Literatur und Unterhaltung auf allen möglichen Kanälen anboten - umsonst, versteht sich. Das wird mit solch lächerlichen Entschädigungen überhaupt nicht wertgeschätzt.
Klar, wir sind es uns gewohnt, uns immer irgendwie durchzuhangeln. Irgendwie geht es immer. Vermutlich wird das auch bei dieser Herausforderung so sein.“


"Als alles schliesst, schiessen sie plötzlich aus dem digitalen und analogen Boden: Eine Zeitschrift wird aus dem Boden gestampft, «Stoff für den Lockdown» heisst sie, ich soll einen Text schreiben, drei Tage habe ich, dann in Druck. Ein Online-Literaturfestival taucht innerhalb von 24 Stunden auf, VIRAL heisst es, ich organisiere in fünf Tagen vier Autorinnen und Autoren; fünf Minuten, nachdem ich mich zum ersten Mal erfolgreich durch unzählige Schaltflächen geklickt habe, zeige ich ihnen, wie sie am Abend ihre Lesungen streamen sollen. Ich habe noch nie so viel kommuniziert wie in dieser ersten Woche. In alle Richtungen, auf allen Kanälen. Keine Zeit für das Romanmanuskript.

Ein Projekt, auf das ich über ein Jahr hingearbeitet habe, ist in der Schwebe. Das Gespräch stottert, mal aus technischen, mal aus menschlichen Gründen. Ich bin aufgedreht von der ersten Woche und ihrer Hauruck-Stimmung, natürlich machen wir weiter, sage ich zu meinem Bildschirm. «Wer weiss, ob das, was wir hier vorhaben, nachher noch relevant ist?» sagt ein verpixeltes Gesicht aus einem Videoviereck. Und schon springt die Frage auf den halbgeschriebenen Roman über, der seit zwei Wochen unangetastet in meinem Laptop liegt.

Die Notizen, die ich noch aus dem Atelier geholt habe, liegen auf dem Stubentisch, der jetzt mein Schreibtisch ist. «Ich weiss nicht, ob das noch relevant ist, nachher, wenn es ein nachher gibt,» sage ich auf dem täglichen Spaziergang keuchend und die Stimme meiner Freundin im Ohr sagt: «Die ganze Situation, in der wir sind, fliesst sowieso in den Text ein, schliesslich bist du die, die den Text schreibt, in dieser Situation.»

"Ich drehe Szenen wie eine Glaskugel vor meinem inneren Auge. Manchmal meine ich zu sehen, wo es weitergeht."

Am Wochenende gehen wir – das einzige, wir das ich zurzeit habe – durch die Wälder ausserhalb der Stadt. Im Gehen kommen wir in dieses produktive Schweigen, in dem manchmal Ideen Form annehmen. Ich drehe Szenen wie eine Glaskugel vor meinem inneren Auge. Manchmal meine ich zu sehen, wo es weitergeht.

Der Lockdown dauert so lange, dass die Zeitschrift der ersten Woche ein zweites Mal erscheint. Diesmal habe ich nicht 3 Tage, sondern zwei Wochen, um einen Text zu schreiben. Zwei Tage vor Abgabe habe ich nichts. Ich gehe durch Quartierstrassen, angeblich auf der Suche. Abends sage ich: «Ich habe nichts.» Und bekomme zur Antwort: «Dann schreib das.» Ich schreibe über den Baum vor dem Fenster und Freundinnen im Ohr und unordentliche Gefühlslagen und wachsende Sehnsucht. Ich gebe den Text rechtzeitig ab. Hinter der Datei mit dem Manuskript steht noch immer «zuletzt gespeichert am 15. März 2020»



Die aktuellen Massnahmen zur Eingrenzung des Coronavirus stellen die gesamte Kreativwirtschaft vor ökonomische Herausforderungen, vor allem durch Umsatz- und Verdienstausfälle bei gleichzeitigen Mehrkosten durch Schutzmassnahmen. Die Ausfälle entstehen nicht nur durch die abgesagten kulturellen Veranstaltungen, sondern z.B. auch durch die Absagen von Messen für Kreativproduzenten, und sie werden verschärft durch die Schliessung ihrer Ladengeschäfte.

Gleichzeitig ist die Kreativwirtschaft sowohl Keimzelle für wirtschaftliche Innovationen als auch Garant für konstruktive Beiträge zu verantwortlichem und solidarischem Handeln in Krisenzeiten und darüber hinaus. Es ist essentiell, die ansässigen Akteurinnen und Akteure in allen Teilmärkten der Kreativwirtschaft in den kommenden Monaten zu unterstützen und so die vorhandenen Strukturen für einen Neustart der Wirtschaft und die Normalisierung des gesellschaftlichen Zusammenlebens funktionsfähig zu halten.

kreaB fordert daher die Behörden und Regierungsinstitutionen der Region Basel und des Bundes auf, die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, um die Akteure der Kreativwirtschaft im Zusammenhang mit dem Coronavirus schweizweit zu unterstützen.

National haben sich Vertretende der Kulturschaffenden und der Veranstaltungsbranche betreffend Coronavirus und der Folgen mit dem Bundesamt für Kultur BAK und der Pro Helvetia getroffen. Die dabei kommunizierten Ziele werden auch von kreaB unterstützt: Erhalt der vielfältigen Schweizer Kulturlandschaft und ihrer Orte und Arbeitsplätze, auch im Bereich der Laienkultur.

kreaB fordert gerade für die Region Basel, diese Ziele auch auf die anderen Teilbereiche der Kreativwirtschaft auszudehnen. Diese sind im Kanton Basel mit der Design- und Architekturwirtschaft nicht nur die grössten kreativen Teilmärkte, sondern auch ein immens wichtiger Aspekt der Attraktivität Basels für die Bevölkerung und Touristen.

Für alle Bereiche der Kreativwirtschaft schliessen wir uns daher den folgenden Forderungen an:

  • Temporäre ALV im Kreativbereich für Selbständigerwerbende und alle, bei denen die Kurzarbeit jetzt nicht greifen würde (z.B. Einzelunternehmer, Freischaffende, Geschäftsleitungen, Inhaber sowie Teilhaber)
  • Unkomplizierter Zugang zu Kurzarbeit für alle KMU im Bereich Kreativwirtschaft
  • Kompensation für ausgefallene Veranstaltungen
  • Notfallkasse für existentiell bedrohte Personen und Betriebe der Kreativwirtschaft
  • Öffentliche Gelder in Kultur müssen weiterfliessen, Kulturförderer (auch private) sollen sich koordinieren
  • Direkter Einbezug der Organisationen der Kreativwirtschaft bei Ausgestaltung und Umsetzung der konkreten Massnahmen

Um Daten zur aktuellen finanziellen Situation der Unternehmen der Kreativwirtschaft zu erheben, stellt kreaB ein Formular bereit, in dem Verdienstausfälle dokumentiert werden können. Damit schaffen wir eine Grundlage, um den Handlungsbedarf zur Unterstützung der gesamten Kreativwirtschaft aufzuzeigen und um bei Politik und Behörden finanzielle Entlastungen einzufordern. kreaB wird die Daten vertraulich behandeln und nur in anonymisierten Statistiken veröffentlichen. Wir empfehlen Dir und allen Kreativschaffenden, Verdienstausfälle mit dem untenstehenden Formular zu dokumentieren.


Formular Verdienstausfall



Liste Finanzielle Unterstützung:

  • Kultur Basel-Stadt Abfederungsmassnahmen Kulturschaffende, Kultur Basel-Stadt Abfederungsmassnahmen Kulturinstitutionen und Beiträge an Transformationsprojekte.

    • Für die Periode vom 1. Mai bis 31. August 2021 haben Kulturschaffende nun die Wahlmöglichkeit: Sie können entweder gemäss Bundesregelung Ausfallentschädigung für abgesagte oder verschobene Veranstaltungen beantragen oder gemäss kantonaler Regelung Taggelder zur Existenzsicherung in Anspruch nehmen. Detaillierte Informationen sowie genauere Informationen rund um die Ausfallentschädigung gemäss Bundesregelung erhaltet Ihr hier (einiges noch in Bearbeitung. . Da die Schäden rückwirkend geltend gemacht werden müssen, können im Moment keine Gesuche eingereicht werden. Das Portal für den nächsten Schadenszeitraum vom 1. Mai bis 31. August 2021 öffnet für Kulturschaffende wie auch für Kulturunternehmen am 31. August 2021. Geschlossen wird es am 30. September 2021.

    • Gesuche um Beiträge an Transformationsprojekte können durchgehend bis am 30. September 2021 eingereicht werden. Ausserdem möchten wir Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie ein Beratungsgespräch in Anspruch nehmen können, damit wir sie bei der Ausrichtung Ihres Transformationsprojekts unterstützen können.

    • Der Bundesrat hat am Mittwoch 31.3.2021 beschlossen, dass Kulturschaffende rückwirkend Ausfallentschädigen ab dem 1. November 2020 erhalten. Einzureichen sind die Anträge bis zum 31. Mai 2021. Ebenfalls erhalten neu auch freischaffende Künstlerinnen/Künstler (Personen in befristeteten Anstellungsverhältnissen) die Möglichkeit eine Ausfallentschädigung zu beantragen.

    • Hotline: Die städtische Hotline ist jeweils am Dienstag, 9-12 Uhr, Mittwoch 13-16 Uhr und Donnerstag 9-12 Uhr für Sie erreichbar. 061 267 68 90 oder kulturgesuche.pd@bs.ch

    • Die Regierung hat beschlossen, Kulturschaffenden im Kanton Basel-Stadt für den Zeitraum von November 2020 bis April 2021 ein existenzsicherndes Taggeld zu gewähren. (98 CHF) Beitragsberechtigt sind natürliche Personen mit Wohn- oder Geschäftssitz im Kanton Basel Stadt, die hauptberuflich im Kulturbereich tätig sind. Es sind sowohl selbständigerwerbende als auch freischaffend tätige Kulturschaffende zugelassen, deren Arbeitgebende keinen Anspruch auf Kurzarbeit anmelden können. Das Gesuchsformular ist aufgeschaltet. Gesuche können bis spätestens 31. Mai 2021 eingereicht werden. Es reicht ein Antrag für alle sechs Monate. Weitere Informationen findet ihr hier!

    • Der Bundesrat hat am Mittwoch 27. Januar 2021 entschieden, dass Kulturschaffende Gesuche rückwirkend für den Schadenszeitraum ab 1. November 2020 einreichen können. Diese Änderung bedarf allerdings noch einer Gesetzesanpassung und so kann die Stadt Basel noch keine Aussage dazu machen, ab wann sie Gesuche für Kulturschaffende entgegennehmen dürfen. Sicher ist: Wie bereits im vergangenen Jahr gilt, dass ausschliesslich Gesuche von Kulturschaffenden mit Wohnsitz in Basel-Stadt entgegengenommen werden können, die hauptberuflich in der Kultur tätig sind und die bei der Ausgleichskasse als Selbständigerwerbende angemeldet sind. Die Entschädigungen für Kulturschaffende sind weiterhin ergänzend, insbesondere zur Nothilfe via Suisseculture Sociale und zum Corona-Erwerbsersatz. Sofern Sie das noch nicht getan haben, sollten Sie also unbedingt bei Ihrer Ausgleichskasse ein Gesuch einreichen.

    • Die Abteilung Kultur nimmt die Gesuche für Ausfallentschädigungen gestaffelt entgegen. Gesuche für finanzielle Schäden im Zeitraum 1. Januar bis 30. April 2021 sind bis spätestens am 31. Mai 2021 einzugeben; Gesuche für finanzielle Schäden im Zeitraum 1. Mai bis 31. August 2021 sind bis spätestens am 30. September 2021 einzugeben; Gesuche für finanzielle Schäden im Zeitraum vom 1. September bis 31. Dezember 2021 sind bis spätestens am 30. November 2021 einzugeben. Bitte beachten Sie, dass die Ausfallentschädigungen ergänzend zu anderen Entschädigungen insbesondere Kurzarbeit ausgerichtet werden.

    • Transformationsprojekte: Es werden Projekte unterstützt, mit denen Kulturunternehmen (rechtliche Person wie eine GmbH oder ein Verein) eine Anpassung an die durch die Corona-Pandemie veränderten Verhältnisse bezwecken und mit denen sie eine strukturelle Neuausrichtung oder nachhaltige Publikumsgewinnung erreichen wollen. Auch Kulturschaffende können sich an Transformationsprojekten beteiligen. Hierfür können auch neue Trägerschaften gegründet werden. Vor der Einreichung eines Antrags auf Unterstützung eines Transformationsprojektes ist ein Beratungsgespräch obligatorisch. Kulturunternehmen und Kulturschaffende können ihr Interesse an einem Beratungsgespräch anmelden über kulturgesuche.pd@bs.ch. Weitere Informationen zur Unterstützung von Transformationsprojekten findest du hier.

  • Kultur Basel-Stadt Ausführliche Medienmitteilung, Stand 20.11.2020

  • Ausgleichkasse Basel-Stadt (mit ausführlichen Bestimmungen zur Corona-Erbwerbsersatzzahlungen) - NEU: Selbstständige können ab 19.12.2020 ab einer Umsatzeinbusse von 40% Corona-Erwerbsersatz beantragen.

  • kulturelles.bl – Regional: Abeilung Kultur Basel-Land – wird laufend aktualisiert
    • Kulturschaffende haben neu die Möglichkeit, Einnahmenausfälle anhand der Vorjahre zu plausibilisieren. Eingabefrist für Ausfälle von Kulturschaffenden zwischen November 2020 und Januar 2021 ist der 28. Februar 2021. Schäden, die zwischen dem 1. November und dem 18. Dezember 2020 angefallen sind, können erst nach der Zustimmung des eidgenössischen Parlaments zur notwendigen Anpassung des Covid-19-Gesetzes angerechnet werden. Dies wird voraussichtlich am 19. März 2021 erfolgen.

  • Suisseculture Sociale Verlängerung der Nothilfe - NEU: Die Einkommens- und Vermögensgrenze wurde angehoben.

  • SECO Ausweitung und Vereinfachung Kurzarbeit - NEU: befristete Arbeitsverträge werden auch in die Kurzarbeit aufgenommen, zudem gibt es Verbesserungen in der Entschädigung Geringverdienender.

  • Landis & Gyr Stiftung – die Landis & Gyr Stiftung unterstützt Kulturschaffende verschiedener Sparten der Performing Arts im ersten Halbjahr 2021 gezielt in der Recherche & Produktion. Bewerben kannst du dich bis am 29.1.2021. Genauere Infos erfährst du hier

  • Landis & Gyr Stiftung – auch für Werkstipendien kannst du dich bei der Landis & Gyr Stiftung bewerben. Bewerbungsfrist ist der 29.1.2021. Weitere Infos findest du hier

  • Kulturhub – bietet Kulturschaffenden kostenlose Beratungsgespräche bei sämtlichen Themen, wie Gründung, Budget, Konzeptschreiben, Produktion etc. Jeden Mittwoch 16.30 - 19.30 Uhr beim ROXY Birsfelden oder online via Skype.


    Liste Sichtbarkeit:
  • SRF lanciert Unterstützungsprojekte für Kulturschaffende SRF Kultur schafft zusätzliche Sendeflächen und Sonderprojekte für Künstlerinnen und Künstler, Autorinnen und Autoren, Musikerinnen und Musiker und unterschiedliche Publikumsgruppen auf unterschiedlichen Kanälen. – Für die ersten Projekte kann man sich bereits bewerben / Arbeiten einreichen.
  • Kultur ist mein Beruf, unsere Berufe sind in Gefahr WIR FORDERN RASCHE UND UNBÜROKRATISCHE FINANZIELLE UNTERSTÜTZUNG. TRITT BEI.



Liste Petitionen:

  • Finanzielle Grundsicherung von 4000 Franken für selbständige Künstlerinnen und Kulturschaffende
  • Kulturschweigen - OFFENER BRIEF DER MUSIKSCHAFFENDEN
  • Koalition der Freien Szene Unterzeichnet bitte jetzt den Appell von Freien Kulturschaffenden aller Sparten


    Liste anderweitige Hilfe
  • Hier findet Ihr ein paar genauere Erklärungen zu Kurzarbeit, Corona-Erwerbsersatz und Ausfallentschädigung von der Leitung Kultur Basel-Stadt:


    Kurzarbeit
    Kurzarbeit kann immer beantragt und gewährt werden. Sie hängt also nicht von der Pandemie oder von abgesagten Projekten oder Veranstaltungen ab. Sie kann auch gewährt werden für Phasen, für die keine Projekte oder Veranstaltungen mehr geplant werden können. Grundsätzlich gilt für Kurzarbeit eine Rahmenfrist von zwei Jahren, in der der Betrieb normalerweise 12 Monate abrechnen kann. Diese Dauer wurde nun vom Bundesrat aufgrund der Pandemie auf 18 Monate verlängert.
    Kurzarbeit kann normalerweise nur für Festangestellte beantragt werden (inkl. Grenzgänger). Aufgrund der Pandemie hat der Bund am 28. Oktober entschieden, dass rückwirkend zum 1. September 2020, vorerst bis Juni 2021, Kurzarbeit auch für Mitarbeitende auf Abruf beantragt werden kann. Befristete Arbeitsverhältnisse können seit 1. September 2020 nicht mehr beim Antrag integriert werden, aber auch diesbezüglich hat der Bundesrat bereits in Aussicht gestellt, einen neuen Vorschlag ans Bundesparlament zu machen. Das Thema wurde auch von der nationalen Task Force Kultur aufgenommen. Weitere Informationen finden Sie hier.


    Corona-Erwerbsersatz
    Seit 17. September 2020 kann man sich für Corona-Erwerbsersatz bei den zuständigen Ausgleichskassen anmelden. Um den Ausfall des Erwerbs zu belegen, genügt eine Absage in Form eines Briefes, einer Mail, SMS oder Selbsterklärung und Begründung. Wer sich angemeldet und einen Ausfall bestätigt erhalten hat, muss in den Folgemonaten jeweils die Anmeldung mit einer entsprechenden Begründung erneuern oder nachweisen.
    Personen, die sowohl selbständig erwerbend als auch angestellt sind, können sich für die Selbständigkeit bei der Ausgleichskasse für Corona-Erwerbsersatz und für die Anstellung bei der Arbeitslosenversicherung für Kurzarbeitsentschädigung anmelden. Auch Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung (z.B. Gesellschafter in einer GmbH), deren Veranstaltungen wegen behördlicher Anordnungen nicht stattfinden können, können unter denselben Voraussetzungen Anträge bei der zuständigen Ausgleichskasse einreichen.
    Die Unterstützung von Corona-Erwerbsersatz wurde vorerst bis Juni 2021 zugesichert.


    Ausfallentschädigungen
    Die Erläuterung zur Bundesverordnung sieht vor, dass Veranstaltungen verbindlich programmiert sein müssen, wenn man für abgesagte Veranstaltungen Ausfallentschädigung beantragen möchte. Es müssen also Verträge und Abmachungen vorliegen, die dies belegen. Die Erläuterungen zur Covid-19-Kulturverordnung sind im frühen Herbst entstanden. Also zu einem Zeitpunkt, als noch Veranstaltungen mit unbeschränkter Publikumszahl möglich waren. Sie müssen in diesem Kontext gesehen werden.
    Die Situation hat sich inzwischen grundlegend verändert. Die Voraussetzung der verbindlichen Programmierung gilt deshalb für die Anträge auf Ausfallentschädigungen nur insoweit, als dies unter den gegebenen Umständen realistisch und zumutbar ist. Ist eine verbindliche Programmierung unter den gegebenen Umständen nicht mehr möglich oder werden Veranstaltungen nicht durchgeführt, da der finanzielle Schaden bei einer reduzierten Durchführung der Veranstaltung höher ist als bei einer Absage, so können dennoch Ausfallentschädigungen beantragt werden. Die Berechnung des Ertragsausfalls erfolgt in diesen Fällen auf der Basis von relevanten Vergleichsmonaten der letzten zwei Jahre. Die Unterstützung durch Ausfallentschädigungen ist aktuell vorgesehen bis Dezember 2021.


    Was passiert mit den Löhnen von Kulturschaffenden, wenn Kulturbetriebe mit der Antragstellung überfordert sind und «es nicht hinkriegen», die Anträge auf Kurzarbeit oder Ausfallentschädigung einzureichen? – Diese Frage ist kein Scherz, sondern sie wurde uns tatsächlich so gestellt!
    Wir müssen hier an Ihre Verantwortung und Ihre Solidarität appellieren! Bitte engagieren Sie sich für Ihre Mitarbeitenden und Kolleginnen und Kollegen, indem Sie die notwendigen Anträge einreichen. In diesem Zusammenhang weisen wir auch nochmals darauf hin, dass die Kulturschaffenden nicht mehr selbst Ausfallentschädigungen beantragen können. Die Kulturveranstalter sind jedoch angehalten, für alle, die nicht mehr selbst antragsberechtigt sind, deren Gagen und Honorare in ihren Antrag zu integrieren und nach Erhalt der Entschädigung auszuzahlen. Solidarität ist die Losung!


    Für Auskünfte zur Antragstellung um Ausfallentschädigungen gemäss COVID-19-Gesetz im Kulturbereich können Sie jederzeit bei uns um eine Beratung anfragen. Senden Sie eine mail an: Kulturgesuche.Pd@bs.ch
    Unser Gesuchportal für die nächste Antragsperiode wird voraussichtlich in der zweiten Dezemberwoche auf unserer Webseite eröffnet.


Wirtschaftssektor und Kultursektor allgemein

  • baselkultur.ch – Regional: Abteilung Kultur Basel-Stadt – wird laufend aktualisiert : Ab sofort können Kulturschaffende und Kulturunternehmen bei der Abteilung Kultur Basel-Stadt Gesuche um Ausfallentschädigungen einreichen, die durch Betriebsschliessungen und Absage oder Verschiebung von Veranstaltungen und Projekten verursacht wurden. Nicht-gewinnorientierte Kulturunternehmen, die aufgrund der Krise in existentielle Liquiditätsengpässe geraten sind, können Soforthilfen beantragen. Voraussetzung dafür ist jedoch ein vorgängiges Beratungsgespräch. Für Kulturschaffende, Für Kulturunternehmen
  • Soforthilfe für Kulturschaffende durch Suisseculture Sociale – National: Dachverband der Organisationen der professionellen Kulturschaffenden: Einnahmenausfälle freischaffende und selbständig erwerbende Kunst- und Kulturschaffende – Gesuche können jetzt eingereicht werden – Wichtig: Voraussetzung für das Einreichen eines Gesuches um Nothilfe bei Suisseculture Sociale ist, dass bereits ein Gesuch um Erwerbsausfall (EO-Entschädigung) gemäss COVID-19 Verordnung Erwerbsausfall bei Ihrer kantonalen SVA gestellt wurde. Wir bitten um Geduld, wenn noch nicht alle Kantone bereit sind!
    Gemäss Leistungsvereinbarung mit dem Bundesamt für Kultur und Pro Helvetia darf Suisseculture Sociale nur bis zum 21. Mai 2020 Gesuche entgegennehmen.
  • kulturelles.bl – Regional: Abeilung Kultur Basel-Land – wird laufend aktualisiert
  • bajour – gärngschee.ch – Auch hier kannst du dich eintragen, wenn dein Geschäft Onlinedienstleistungen/Lieferservice anbietet – auf je mehr Plattformen, desto besser
  • Christoph Merian Stiftung – Antragsberechtigt sind in erster Linie Projektpartner und Institutionen, die nicht anderweitige Unterstützung aufgrund ihrer Notlage in Anspruch nehmen können. Gefördert werden auch neue Projekte, die gezielt, unbürokratisch und rasch von der Krise Betroffene und Menschen in Not unterstützen
  • Plattform für KMU beider Basel – Übersicht über Kleinunternehmen der Region, die noch arbeiten oder ihre Dienste auch trotz geschlossener Geschäfte anbieten – Trifft das auf dich zu? Dann trag dich hier ein! – Entwickelt von OHO-Design
  • baselzaemme – Solidaritätsfonds für KMU – Stiftungen, Firmen und private Spender setzen sich nun für Kleinbetriebe und Selbständige in Basel ein, damit ihnen in dieser schwierigen Lage geholfen wird.
  • Ausgleichskasse Basel-Stadt und www.bsv.admin.ch – Entschädigung bei Erwerbsausfällen – für Selbständige, Angestellte, Personen in Quarantäne und Eltern mit Kindern unter 12 Jahren, die Erwerbetätigkeit unterbrechen müssen
  • Medienmitteilung des Bundesrats vom 20.3.2020 und COVID-Verordnung Kultur – Soforthilfe und Ausfallentschädigungen – Massnahmenpaket zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen in Wirtschaft und Kultur – 1. Soforthilfe für nicht-gewinnorientiere Kulturunternehmen und Kulturschaffende, 2. Ausfallsentschädigungen für Kulturunternehmen und Kulturschaffende, 3. Unterstützung von Kulturvereinen im Laienbereich
  • Kurzarbeitsentschädigung – Kurzarbeitsentschädigung (AWA Basel) / Diese Massnahmen gelten auch für Non-Profit-Organisationen und Kulturinstitutionen, die Staatsbeiträge erhalten
  • Swisslos-Fonds Basel-Stadt – Müssen Veranstaltungen abgesagt oder vorschoben werden, die aus dem Swisslos-Fonds Basel-Stadt unterstützt wurden, melden Sie sich bitte beim Swisslos-Fonds
  • Unterstützung von KMU in Liquiditätsschwierigkeiten aufgrund des Coronavirus – Spezialregime Bürgschaftswesen –Da Bürgschaften einen Bankkredit voraussetzen, ist es ratsam sich zuerst an ein Finanzinstitut zu wenden, bevor mit einer Bürgschaftsorganisation Kontakt aufgenommen wird. Dies beschleunigt das Genehmigungsverfahren.
  • sonart.swiss – Formular zum Erfassen von Honorarausfällen
  • change.org – Création d’un fonds d’indemnisation pour les intermittent/es du spectacle en Suisse und change.org – Bedingungsloses Grundeinkommen für die Schweiz in den nächsten 6 Monaten – Petition für Kompensationszahlungen und Grundeinkommen:
  • Kulturklinik – weil man Kultur nicht Hamstern kann – Hilfe zur Selbsthilfe, Ziel ist die finanzielle Unterstützung von selbstständigen, nicht in festen Arbeitsverhältnis stehenden Kulturschaffenden, Freelancerinnen, Veranstalterinnen, Stundenlöhnerinnen, Institutionen, Dienstleisterinnen

Architektur

Bildende Kunst

Darstellende Kunst

Text und Literatur

Musik

Presse

Ein wichtiger Input der IG Kreativwirtschaft: Sofortmassnahmen in der Coronakrise

  • Kommunikation: Führe eine offene Kommunikation mit deinen Partnern, Lieferanten und Kreditoren, wir sitzen alle im gleichen Boot. Sie sind oft bereit zu individuellen Lösungen und Ratenzahlungen.

  • Inkasso: Verrechne sofort erbrachte Dienstleistungen. Rede notfalls mit deinen Kunden. Bestehe gerade bei Grosskonzernen auf der Zahlungsfrist und fordere Solidarität ein.

  • Rechnungen: Bezahle die kleinen Rechnungen (bis CHF 500.00) zuerst, die mittleren (bis CHF 5'000.00) einen Monat später und bei den grossen Rechnungen wende dich an die Kreditoren, um die Raten zu besprechen.

  • Staatsabgaben: Inkassostellen bei Bund, Kanton und Gemeinden sind angehalten grosszügig beim Einziehen von Staatsabgaben (z.B. MwSt.-Steuern, Akontozahlungen an die Ausgleichskasse und Stromrechnungen) zu agieren. Verlange eine Verlängerung der Zahlungsfrist oder vereinbare eine Ratenzahlung. Diese sind zur Zeit gestundet ohne Verzugszinsen.

  • Miete: Nimm mit deinem Vermieter Kontakt auf. Frag nach einer befristeten Mietzinsreduktion oder einem Mieterlass. Bei gesetzlich verordneten Schliessungen gibt es die Möglichkeit einer «vollumfänglichen Herabsetzung des Mietzinses» (Musterbrief des Wirteverbands – zum Anpassen auf deine Bedürfnisse).

  • Leasingverträge: Mit der Leasinggesellschaft reden und die monatlichen Raten reduzieren. Dann den Vertrag neu abschliessen und die Laufzeit insoweit verlängern, dass der reduzierte Betrag einfach später bezahlt wird.

  • Versicherungsprämien: Bitte um einen Nachlass oder eine Verlängerung der Zahlungsfrist, falls du die Jahresprämie noch nicht bezahlt hast.

  • Abgesagte Veranstaltungen/Messen: Prüfe inwiefern du eine Rückerstattung beantragen kannst.

  • Bank: Sprich mit deiner Hausbank und verlange eine zielorientierte Lösung zur Liquiditätsüberbrückung. Der Bund verbürgt Kredite bis CHF 500'000, die Bank spricht direkt das Geld. Dies gilt als kurzfristige Liquiditätsüberbrückung, die Details (Zinsen) dazu folgen am Mittwoch, 25.3.2020.

  • Kurzarbeit: Beschäftigst du Mitarbeitende und kannst Ausfälle nachweisen, dann melde lieber früher als spät Kurzarbeit an. Informiere dich hier und bei den zuständigen kantonalen Stellen für Wirtschaft und Arbeit. Gemäss Pressekonferenz des Bundes vom 20.3.2020 und Nachfrage bei der SECO Hotline können auch arbeitgeberähnliche Personen und Gesellschafter von GmbHs und AGs per sofort Kurzarbeit beantragen, die von den Massnahmen in Bezug auf das Coronavirus betroffen sind.

  • Sozialhilfe: Für selbständig Erwerbende (Einzelunternehmen) besteht die Möglichkeit unkompliziert Sozialhilfe zu beantragen. Wende dich an das Sozialzentrum in deiner Gemeinde. Dies wird über die Erwerbsersatzordnung geregelt und ist mit einem maximalen Tagessatz von CHF 196.- gedeckelt und auf 30 Tage befristet.

  • Dokumentiere deine Ausfälle: Welche Umsatzeinbussen hast du zu verkraften und warum? Stehen diese in Zusammenhang mit dem Coronavirus und warum? Diese Angaben werden eventuell später notwendig, damit du ein Gesuch schnell einreichen kannst.

  • Denke an Morgen: Welche Investitionen sind jetzt notwendig, damit du nach der Krise wieder durchstarten kannst. Priorisiere diese Investitionen. Auch hier sind Lieferanten und Partner oft bereit mit dir nach Lösungen zu suchen. Erlerne neue Kompetenzen und teile deine Kompetenzen grosszügig mit anderen aus deinem Umfeld.


Internationale Klimaforscherinnen und -forscher sind sich einig: Wir haben nur noch bis 2030 Zeit, um dem sich abzeichnenden Klimawandel effektiv entgegenzuwirken. Alles was wir danach unternehmen, wird keinen oder nur einen zu geringen Effekt haben, weil die Veränderung des Klimas dann schon zu viel Fahrt aufgenommen haben wird. Das heisst für uns alle: Umdenken, und zwar jetzt. Wir müssen alles in Frage stellen, was den Klimawandel befördert und stattdessen heute existierende Alternativen verwenden. Wer zu spät kommt, den bestraft das Klima. Analysten bescheinigen konventionellen Autoherstellern wie VW und BMW, die jahrzehntelang den Umstieg zur Elektromobilität boykottierten, um ihre alten Technologien so lange wie möglich zu versilbern, den baldigen Abstieg in die Bedeutungslosigkeit, während Tesla-Gründer Elon Musk das ganze Interesse der Investoren anziehen und die Branche dominieren wird.

Mangelnde Entdeckerfreude
Genauso stehen die Architektur und die Baubranche vor gigantischen Umbrüchen, nur dass die meisten ihrer Akteurinnen und Akteure bisher nicht wahrhaben wollen, wie radikal sie ihr Handeln ändern müssen – und auch können. Wir können heute bereits viele klimaschädliche Baumaterialien und Produktionsformen ersetzen durch klimafreundliche Alternativen. Dass viele Architektur- und Bauschaffende sich noch dagegen sträuben, beweist bemerkenswerte ethische Indifferenz, mangelnde Entdeckerfreude und eklatante Architekturgeschichtsvergessenheit. Denn auch die Entstehung der modernen Architektur vor gut 150 Jahren war ganz wesentlich durch die Einführung neuer Bautechniken wie die Vorfabrikation und neue Materialien wie Stahl, Beton und Glas motiviert. Dieser technologische Paradigmenwechsel inspirierte Architektinnen und Architekten dazu, mit völlig neuen Formen, Materialien und Typologien zu experimentieren. Das industrielle Zeitalter induzierte also auch eine Erneuerung der Architektur.

«Wir müssen die Baukosten eines Gebäudes endlich in Bezug auf seinen ganzen Lebenszyklus berechnen»

Heute stehen die Architektur und das Bauen vor einer noch viel grösseren Zeitwende. Heute wäre es ökologisch gesehen schlicht zynisch, Gebäude abzureissen, nur weil sie ihre ursprüngliche Funktion verlieren. Vielmehr müssen wir sie von Anfang an so bauen, dass wir sie entweder auf ihre neue Funktion baulich anpassen oder rückbauen können: Das heisst, sie auseinandernehmen und ihre Bestandteile im Sinne der Kreislaufwirtschaft einer neuen Verwendung zuführen können. Architektur wird zu einer Form von „reversibler Konstruktion“, wie der Stuttgarter Ingenieur Werner Sobek sagt. Und deswegen ist ein Gebäude heute vielleicht eher ein temporäres Lager bestimmter Materialien in einer spezifischen räumlichen Konfiguration, so wie LKWs von Speditionsfirmen heute mobile Lagerflächen einer Just-in-time-Produktion geworden sind.

Gebäude als Prozesse betrachten
Wir müssen die Baukosten eines Gebäudes endlich in Bezug auf seinen ganzen Lebenszyklus berechnen, weil die reinen Bauerstellungskosten eben nicht den gesamten ökonomischen – und damit auch den ökologischen – Fussabdruck eines Bauprojektes abbilden. Das reicht von der Gewinnung der Rohstoffe bis zur finalen Entsorgung der verwendeten Baustoffe bei Abriss oder Umbau. Genauso wie wir uns angewöhnen müssen, die graue Energie als Grundlage der energetischen Performance von Architektur zu betrachten, nicht ihre reine Verbrauchsenergie. Anders gesagt: Wir müssen verstehen, dass Gebäude keine Objekte sind, sondern transitorische Momente von Prozessen – und dass Entwerfen heute immer weniger Objektdesign und immer mehr Prozessdesign werden muss.

Andreas Ruby ist Direktor des Schweizerischen Architekturmuseums in Basel (S AM).
Bild: @Wilma Leskowitsch


Ich stehe mit Oliver Seidel auf dem Lysbüchel-Areal, das gerade unter Hochdruck umgepflügt wird. Wo früher die Logistik von Coop abgewickelt wurde, klafft heute ein kahler Fleck. In der Baubranche ein ganz normaler Vorgang. Altes muss weg, in diesem Fall das Industrieareal von Coop – Neues entsteht, in diesem Fall ein Wohnquartier. Geht es nach Oliver und seinen Kolleginnen und Kollegen vom Baubüro in situ, kann es aber so nicht weitergehen. „Wir sollten mehr Bestehendes nutzen, um Ressourcen zu schonen.“

Grösstes Projekt bisher
Darin nimmt in situ und dessen Mitbegründerin Barbara Buser eine Vorreiterrolle ein. Wann immer möglich, arbeiten sie mit bestehenden Gebäuden und verwerten Dinge wieder, anstatt neue zu beschaffen. Zum Beispiel aus der Bauteilbörse, eine Art Brockenstube für Baumaterialien. Noch nie aber hat das Baubüro ein Wiederverwertungs-Projekt in der Grössenordnung wie im Lysbüchel umgesetzt. Im Auftrag von Immobilien Basel-Stadt gestalteten sie dort die Fassade eines künftigen Kunst- und Gewerbehauses.

Auf der Suche nach Material
„Als wir sahen, wie viel Material durch Abbrucharbeiten auf dem Areal anfällt, dachten wir: das muss man doch ausschöpfen“, erzählt Oliver, der das Projekt leitet. „So entstand die Idee, unsere Fassade komplett mit recycelten Materialien zu gestalten.“ Doch bald wurden sie auf den Boden der Tatsachen geholt. Aus alten Industriehallen fällt nicht unbedingt das gewünschte Material an. Dämmmaterial und Holz etwa fehlten fast gänzlich. Das meiste Holz, vor allem Sparren und Pfetten, holten sie aus anderen Rückbauten in Basel. Etwa 40 Prozent der Holzrahmenkonstruktion besteht nun aus gebrauchtem Holz, die restlichen 60 Prozent aus Holz des Schweizer Waldes.

Ähnlich erging es dem Architektenteam mit den Fenstern. Auf dem Areal gab es zwar viele, aber allesamt alte, dünne Fenster, zum Teil noch mit Asbest in den Fugen. Wo bekamen sie nun passende gebrauchte Fenster her? Das Team machte sich bei Fensterbauern auf die Suche. Tatsächlich hatten die meisten neuwertige Fenster in den Kellern, die sie aufgrund von Fehlverbauungen nicht mehr nutzen konnten. „So haben wir bei zwölf Fensterbauern aus der Nordwestschweiz über 200 Fenster gesammelt.“ Dass sie unterschiedlich gross sind, macht heute den Reiz der Fassade aus.

«Man darf nicht diskutieren, sondern muss zeigen, dass es möglich ist»

Doch es gibt auch Dinge, die direkt von dem Areal genutzt werden konnten: Zum Beispiel die Alu-Trapezbleche, mit denen die Fassade verkleidet ist. Oder die Boden-Gitterroste der ehemaligen Coop-Bäckerei, die nun vor den Fenstern als Absturzsicherung dienen.

Eine grosse Portion Beharrlichkeit
Heute ist Oliver stolz auf das Werk. Der Weg dahin war jedoch herausfordernd. Vor allem die Beschaffung des Materials, um die sie sich selber kümmerten, war ein riesiger Aufwand. Gleichzeitig mussten sie stets ihren Auftraggeber überzeugen. „Die meisten Bauherrschaften und Unternehmen wollen, dass der Bau reibungslos und im Zeitplan durchgeführt wird“, sagt Oliver. „Es wäre durchaus einfacher zu sagen: Wir machen alles neu.“ Gerade deswegen sei das Wichtigste bei der Umsetzung eines solchen Projekts die Beharrlichkeit. „Man darf nicht lange diskutieren, sondern muss zeigen, dass es möglich ist.“ Am Ende war auch die Bauherrschaft zufrieden und gab sogar zu, dass in dieser Bauart ein Teil der Zukunft liege.


Heute werden uns billig produzierte Kleider aus Entwicklungsländern zu Spottpreisen nachgeworfen. Kaum zu glauben, dass die Schweiz für die Textilproduktion einmal ein bedeutender Standort war: Die Nordwestschweiz, Südbaden und das Elsass waren einst einer der grössten Ballungsräume der Textilindustrie in Europa. In Basel dominierte die Herstellung von Seidenbändern, aus den dort ansässigen Färbereien hat sich später die chemische Industrie entwickelt.

In Liestal lebt textiles Schaffen
Was ist aus den Firmen und ihren Produkten geworden? Eine Antwort finden wir auf dem ehemaligen Fabrikareal von HANRO, einem weltbekannten Textilunternehmen, das bis 2016 in Liestal ansässig war. Heute werden die Fabrikhallen unter anderem von der Textilpiazza genutzt. Ein Verein, der das textile Schaffen lebendig halten will und verschiedene Näh-, Web- und Siebdruckateliers betreibt. Er bietet auch das Dach für den Verein „Textilpiazza Kultur“, der sich der Erhaltung von Kulturgütern verschrieben hat. „Wir verwalten hier die Überbleibsel“, sagt Dominique Rudin, Historiker und verantwortlich für die Kulturgütererhaltung. Angefangen hat der Verein mit der Erschliessung der HANRO-Sammlung, die heute in einer Halle auf dem Areal untergebracht ist und auf Anfrage besucht werden kann. Auch die Sammlung des Studiengangs HF Textil der Schule für Gestaltung in Basel ist dort untergebracht.

"Es sind Dokumente eines Industriezweigs, den es in der so Schweiz nicht mehr gibt"

Wichtiges Puzzleteil der Wirtschaftsgeschichte
Aktuell kümmert sich Dominique mit seinem Team um den Nachlass der Firma Senn & Co - Basels letzte Seidenbandfabrik und schweizweit eine der ältesten. Die Anfänge des Unternehmens reichen zurück bis vor fast 250 Jahren. Seit August 2018 ist der Verein Textilpiazza Kultur dabei, die rund zehntausend von der Familie Senn angelieferten Kartonschachteln zu bearbeiten. Darin befinden sich unzählige kleine Papierrollen, in denen jeweils ein Seidenband aufgerollt ist. Ein wichtiges Hilfsmittel, um sich eine Übersicht zu verschaffen, sind die Produktionsbücher der Firma, wo alle Bänder vermerkt sind. Welches Band weist ein besonderes Muster auf? Eine besondere Farbe? „Das Hauptmerkmal der Firma waren die Unibänder“, sagt Dominique. Sie seien daher für die Firmengeschichte besonders repräsentativ. Aber nicht nur Zier- und Nutzbänder, auch das gesamte administrative Archiv wird erschlossen, die Buchhaltung, Briefe oder Verwaltungsunterlagen.

„Die Sammlung ist für die Wirtschaftsgeschichte ein wichtiges Puzzleteil“, sagt Dominique. „Aber sie dokumentiert auch einen Industriezweig, den es so in der Schweiz nicht mehr gibt.“ Mit der Erschliessung des Nachlasses will der Verein Textilpiazza Kultur das Wissen wenigsten teilweise aufrechterhalten. www.textilpiazza.ch


Isabel Bürgins Atelier ist eine grosse Halle mitten in Kleinbasel. Zwischen zwei Webstühlen sind Teppichmodelle aufgerollt oder ausgebreitet zur Schau gestellt. Farbig oder uni, flach oder dick, aus Ziegen- oder Schafwolle. Alles handgewoben. Bürgin ist seit 33 Jahren freischaffende Weberin und Textildesignerin. Für ihre Arbeit hat sie diverse Preise gewonnen, zuletzt 2018 den Prix Jumelles der Fondation Jumelles und des Kurszentrums Ballenberg, der herausragendes Schweizer Handwerk auszeichnet. „Ich wusste bereits nach dem Abschluss an der Textilfachklasse in Basel: Von diesem Beruf will ich einmal leben können“, sagt Isabel. Mit 25 Jahren machte sie sich selbständig. „Ich bin wahrscheinlich eine der einzigen Handweberinnen in der Schweiz, die von ihrem Beruf lebt.“

Fokus auf heimischer Schafwolle
Obwohl bereits Jahrzehnte im Geschäft, sei das Überleben nicht selbstverständlich. „Handwerk ist zwar wieder in Mode, aber nicht alle Leute sind bereit, das entsprechende Geld dafür in die Hand zu nehmen.“ Die Quadratmeterpreise für einen Teppich liegen zwischen 1100 und 2000 Franken. Handwerk hat eben seinen Preis. Mit einer Ausnahme werden alle Garne für die Teppichherstellung in der Schweiz gesponnen und gefärbt. Die Bestellung wird, wenn immer möglich individuellen Wünschen angepasst, was jedes Stück zu einem Unikat macht.

In der Schweiz werden rund 150 Tonnen Rohwolle pro Jahr verbrannt

Für ihre Modelle arbeitet Isabel seit 2013 vermehrt mit Schweizer Schafwolle. „Ich habe erfahren, dass in der Schweiz rund 150 Tonnen Rohwolle pro Jahr verbrannt werden“, sagt sie. Schweizer Rohwolle ist heute fast nichts mehr Wert, der Import aus Neuseeland viel billiger. Deshalb wird sie vorwiegend als Dämm- oder Füllmaterial verarbeitet. Isabel will dieser Entwicklung etwas entgegenhalten, indem sie den hochwertigen lokalen Rohstoff zu einem attraktiven Gebrauchsgut verarbeitet. Neben Teppichen, ihrem Kerngeschäft, fertigt Isabel auch Wolldecken und Schals aus Peruanischer und Schweizer Alpakawolle. „Die schmeichelt am Hals.“

Teppiche bald am Zürcher Flughafen
Derzeit an einem der Webstühle aufgespannt ist Isabel Bürgins neuestes Modell „duo“ aus 100% Schweizer Schafwolle auf einer Reinleinenkette. Es ist der zweite von sechs Teppichen, die sie im Auftrag der Swiss anfertigt. Die Fluggesellschaft will damit ihre Swiss Alpine Lounge am Flughafen Zürich Kloten ausstatten. Die reine Webarbeit für diesen 1,60 m breiten und 2 m langen Teppich schätzt Bürgin auf 25 Stunden, hinzu kommen rund 10 Stunden vor- und bis zu 20 Stunden Nachbereitung. Der Auftraggeber wollte die sechs Teppiche innerhalb eines Monats geliefert haben. „Ich musste lachen am Telefon“, erzählt Isabel, und habe geantwortet: „Wir sprechen hier von Handarbeit.“ Es ist auch das, was sie mit ihrem Beruf möchte: Die Menschen wieder für den Wert des Handwerks sensibilisieren. Mehr: www.isabel-buergin.ch


Im Gespräch mit Laura Frei (links im Bild), 24, Co-Direktorin des Gässli-Filmfestivals, das vom 26. August bis 1. September 2019 in Bael stattfindet. Rechts im Bild steht Festivalgründer Giacun Caduff

kreaB: Liebe Laura, ich habe gehört, ihr habt dieses Jahr einen Rekord zu vermelden?

Laura: Genau, wir hatten fast 500 Einreichungen für die Kurzfilm-Wettbewerbe, das ist mehr als alle Jahre zuvor. Die meisten kamen aus der Kategorie Internationale Kurzfilme, aber auch Filme mit Bezug zu Basel aus der Nachwuchskategorie waren gut vertreten. Die Anzahl zeigt, dass das Festival immer bekannter wird und in der Szene etabliert ist. Festivalgründer Giacun und ich haben in einem langen Prozedere schliesslich 35 Kurzfilme ausgewählt, die wir nun an dem Festival zeigen werden.

Diesmal konntet ihr die US-amerikanische Produzentin Christine Vachon als Ehrengast gewinnen. Wie habt ihr das geschafft?

Bei dem Kontakt hat uns sicher das Netzwerk von Giacun geholfen, der durch seine Oskar-Nominierung im Jahr 2017 auch Mitglied in der Academy of Motion Picture Arts and Science ist. Christine Vachon war schon länger eine Wunschkandidatin von uns, es war bereits der zweite Versuch sie zu gewinnen und wir freuen uns sehr, dass es geklappt hat. Sie ist eine interessante Persönlichkeit mit einer riesigen Filmographie und greift brisante Themen auf, die auch in der Filmbranche derzeit heiss thematisiert werden, wie Identität und Geschlechterrollen. Unser Rahmenprogramm steht deshalb dieses Jahr unter dem Motto „Diversität und Integration“.

Ihr organisiert auch ein Panel zu dem Thema, an dem es unter anderem um eine Frauenquote in der Branche geht. Schaut man sich die Ehrengäste des Festivals der letzten zehn Jahre an, ist Christine Vachon auch erst die zweite Frau, nach Sabine Boss.

Das stimmt leider. Das hat sich so ergeben aus dem Grund, dass es einfach noch zu wenig Regisseurinnen gibt. Die Filmbranche war ja lange Zeit sehr männerdominiert. Glücklicherweise ändert sich das gerade und wir werden sicher auch künftig mehr weibliche Ehrengäste begrüssen dürfen.

«Anfangs haben die Leute die Stühle und Decken selber mitgebracht»

Blicken wir zurück: Wie hat sich das Gässli-Filmfestival in den letzten zehn Jahren verändert?

Wir sind definitiv gewachsen. Anfangs haben die Leute die Stühle und Decken selber mitgebracht. Alles was wir boten war eine Leinwand mit Kurzfilmen. Seit 2017 gibt es ein Regendach, damit die Veranstaltung nicht mehr, wie auch schon, wegen des Wetters abgesagt werden muss. Seit letztem Jahr dauert das Festival ausserdem eine Woche, nicht mehr nur drei Tage und wir sind ausser im Gässli auch in Kinos in der Stadt und in Baselland präsent.

Und wohin wird sich das Festival noch entwickeln?

Wir sind immer daran, Neues auszuprobieren. Dieses Jahr zum Beispiel zeigen wir neben Filmen auch zwei Serien. Ein Traum von uns ist es, auch andere Gassen in Basel zu bespielen. Das ist sehr kompliziert mit den Bewilligungen, aber wir bleiben dran. Eine Konstante des Festivals ist die Einladung eines Ehrengastes, was wir auch unbedingt beibehalten wollen.

Mehr dazu: https://www.baselfilmfestival.ch/home.html
und: http://www.vfbbb.ch/


«Die Kreativbranche ist eine der vielfältigsten Branchen überhaupt. Sie umfasst 13 Teilbranchen, die von Kunsthandwerk, Design und Architektur über Musik und Text bis hin zu Softwareentwicklung reichen. Die Basler Kreativbranche mit ihren Leuchttürmen und ihrer umtriebigen Szene von kleinen und mittleren Akteuren ist ein integraler Bestandteil und ein wichtiger Motor der Kulturstadt Basel. 2015 ging der Basler Kulturpreis erstmals an eine Vertreterin der Kreativwirtschaft (Fabia Zindel/Matrix) – ein starkes Bekenntnis der Hochkultur zu ihrer kleinen, merkantileren Schwester.

«Die Kreativschaffenden sind vor allem auch UnternehmerInnen»

Verbunden ist die Kreativbranche aber nicht nur mit der Kultur. Wie es der Wortgebrauch ja schon impliziert, ist die Kreativbranche eine wirtschaftliche Kategorie und mit schweizweit 250’000 Beschäftigten eine nicht zu unterschätzende Wirtschaftskraft. Der Kreativschaffende ist ein bisschen Künstler, aber vor allem auch Unternehmer. kreaB bezieht sich in der Interessenvertretung auf beide Sphären und bedient sowohl Kultur als auch Wirtschaft. Dadurch kann der Verband vielleicht sogar eine Vermittlerrolle zwischen den beiden Bereichen übernehmen. Das macht kreaB in meinen Augen einzigartig!

«Ich freue mich besonders auf den persönlichen Kontakt»

Mir ist es wichtig, dass kreaB die Bedürfnisse der Mitglieder noch besser abholen und abdecken kann. Natürlich muss man sie dazu sehr genau kennen. Daher freue ich mich besonders auf den persönlichen Kontakt! Gerne möchte ich die kreaB-Mitglieder einladen, mit Wünschen und konkreten Anliegen auf uns zu zukommen. Längerfristig wünsche ich mir, dass der Verband wächst, sichtbarer wird, an Gewicht gewinnt und noch stärker zu einer politischen Stimme werden kann.»
Schreibe Ricarda: ricarda.gerosa@kreab.ch


Was hat ein Teppich mit einem leckeren Dessert zu tun? Im Normalfall eher nichts. Doch wer Nina Gautier kennenlernt, wird eines Besseren belehrt. Die freischaffende Designerin will mit ihren Arbeiten zeigen, wie alles zusammenhängt. Im Mittelpunkt stehen dabei immer die Pflanzen. Zum Beispiel die Brennnessel, der sie ihre Bachelorarbeit an der renommierten Design Academy in Holland gewidmet hat. „Der erste Schritt ist, die Pflanze genau zu studieren“, erklärt Nina. Was hat sie für Eigenschaften, aus welchen Teilen besteht sie, wie ist sie aufgebaut? Unter dem Namen „Urtica_Lab“ entstand daraus eine Produktlinie mit Nahrungsmitteln, Papier, Medizin und Textil, darunter ein selbst gewobener Teppich aus Brennnesselfasern. Das Projekt schlug ein und wanderte durch die Welt, etwa an die Designmesse in Brasilien, die Möbelmesse in Mailand oder die Weltausstellung in Paris.

«Im Klostergarten war früher alles miteinander verwoben»

Mit ihrem neuesten Projekt hat sie die Produktlinie um eine Komponente ergänzt: die Kulinarik. Die aktuelle Reihe „KlosterFarbenDinner“ lädt viermal im Jahr ins Kloster Dornach zu einem fünf-Gang Dinner ein, das sich um eine speziell ausgewählte Pflanze dreht. Bei der ersten Ausgabe im Frühjahr war es die Brennnessel, die Nina bereits bestens kannte. Vom frischen Extrakt bis hin zum Brennnesselsamenkrokant bekamen die Gäste Köstlichkeiten serviert. Weiter geht es mit der Wilden Möhre im Sommer und der echten Walnuss im Herbst. Dabei landet die Vielfalt der Pflanze nicht nur auf dem Teller, sondern wird auch künstlerisch inszeniert; das gesamte Tischsetting ist geprägt von der färbenden Qualität der Pflanze.

Anfang einer grösseren Vision
Das Kloster ist als Veranstaltungsort nicht zufällig gewählt. „Im Klostergarten war früher alles miteinander verwoben“, so Nina. Die Pflanzen wurden als Heil- und Nahrungsmittel verwendet, als Kosmetik– und Textilprodukt. In der heutigen Welt, in der jeder dieser Bereiche hochspezialisiert ist, gehe dieses Potenzial vergessen. Die Jahreszeitendinners sieht sie als einen Weg, dieses Wissen für die Menschen wieder erlebbar zu machen. Parallel dazu hat sie derzeit die Möglichkeit, als Gast im Schwarzpark ein kleines Grundstück als Färbergarten zu nutzen. Seit wenigen Wochen kultiviert sie dort Pflanzen, die für das Färben von Textilien verwendet werden. Dahinter steht eine grössere Vision: „Ich träume von einem Ort, an dem alles zusammenkommt: die Wildpflanzenküche, die Kräuterwerkstatt, der Färbergarten.“ Die Weichen dafür hat Nina jedenfalls gestellt.
ninagautier.com


Ich treffe Regula, Werner, Celia und Jan in der Küche ihres neuen Arbeitsortes, vierter Stock, Gebäude 106, auf dem Werkareal der BASF. Heute verwaltet von der Organisation für Zwischennutzungen «Unterdessen». Die vier Künstlerinnen und Künstler wirken vor allem eines: erleichtert. Erleichtert darüber, dass es vorbei ist. Der Kampf, das Suchen, der Auszug, die Renovation, der Einzug. „Wir waren noch in unseren alten Ateliers, als der Umbau im Ausstellungsraum begonnen hat. Es ´stübte´ und hat teils Bilder beschädigt“, sagt Jan, 30 Jahre alt. „Und von den Asbest-Sanierungen erfuhren wir erst von den Bauarbeitern im Schutzanzug“, sagt Celia, 35.

Der Unmut darüber, wie alles abgelaufen ist, ist noch immer spürbar. Und die Enttäuschung, dass man aus der ehemaligen Klosterkirche nun ein Atelierhaus mit teureren Mieten und befristeten Verträgen macht, die an Bedingungen geknüpft sein werden. „Damit wird das Bild eines Künstlers, einer Künstlerin zementiert, der, die jung, dynamisch und ungebunden durch die Welt zieht“, sagt Celia - und will dagegen halten. Die Ateliergenossenschaft sei schliesslich ein gutes Beispiel dafür, dass Kunstschaffende durchaus nachhaltige Arbeitskonzepte schätzen. „Ich brauche nicht einfach ein Atelier. Ich brauche einen Arbeitsort“, sagt auch Werner, 75 Jahre alt und Mieter der ersten Stunde in der Ateliergenossenschaft Klingental.

Erleichterung auf Zeit
Dass die Suche nach einem geeigneten Ort schwierig war, hatte auch damit zu tun, dass sie als Gemeinschaft ausziehen wollten. „Für uns gab es nur eine gemeinsame Lösung“, sagt Jan. Schliesslich sind etwa drei Viertel der Ateliergemeinschaft vom Kaserneareal in das BASF-Gebäude umgezogen, einige kamen hinzu. Derzeit arbeiten 34 Kreativschaffende auf vier Stockwerken verteilt, der Jüngste ist 25, der Älteste 89 Jahre alt.

Hier sind sie sicher. Vorerst. Der Vertrag ist auf fünf Jahre befristet, danach müssen sie weiterschauen. Schon wieder.

„Ich kann erst seit zwei Wochen wieder kreativ denken“, sagt Werner. Sein Büro liegt im obersten Stockwerk. Von dort bietet sich ihm ein weiter Blick über die Dächer, auf den Rheinhafen, bis zum Schwarzwald. Er teilt sein Atelier mit Nora Roth. Die Bewohnerinnen und Bewohner haben aus den genormten Büros verschieden grosse Ateliers machen lassen, je nach Bedürfnis - und Budget. Zehn Franken zahlen die sie monatlich pro Quadratmeter. „Für mich ist das wichtigste an dem Haus das Gemeinschaftsgefühl“, sagt Werner. Klar, die Atmosphäre vom Klingental könne man nicht kopieren, „aber ich konnte mich, glaube ich, davon verabschieden.“ Hier gebe es andere Qualitäten, zum Beispiel das Tageslicht. „Langsam kommt auch hier Stimmung auf.“

Allem Anfang …
Mehr Zeit braucht Regula, 83 Jahre alt. „Ich musste mit allem brechen, was war.“ Der Prozess des Ankommens werde sie erst einmal künstlerisch verarbeiten. Danach schaue sie weiter. Aber auch sie kann dem Umzug etwas Gutes abgewinnen. „Dass ich in meinem Alter noch einmal so richtig aus den Bahnen geworfen wurde“, sagt Regula, „das hat auch eine Qualität.“ Dem stimmen auch die anderen zu. Sie haben jetzt die Chance, Strukturen neu aufzugleisen und, in regelmässigen Sitzungen, Grundsätze zu verhandeln. Natürlich gemeinschaftlich. Und es wäre wohl nicht die Ateliergenossenschaft Basel wenn nicht über all dem noch die Hoffnung stehen würde, dass sich die zeitliche Begrenzung irgendwann auflösen wird.


Fünf Fragen an Veronika Selig: Architektin und Leiterin der Regionalgruppe des Netzwerks «Frau und SIA» in Basel.

kreaB: Warum braucht der Berufsverband für Ingenieure und Architekten ein Netzwerk für Frauen?
Veronika Selig: Bevor das Netzwerk gegründet wurde, waren in dem Berufsverband SIA gerade einmal sechs Prozent der Mitglieder Frauen. Das hatte wiederum eine abschreckende Wirkung für neue weibliche Mitglieder. Wir gründeten das Netzwerk «Frau und SIA» als einen Ort, an dem Frauen sich zusammentun, austauschen und für ihre Interessen einstehen können.

Warum fehlt es an Architektinnen in Führungspositionen?
Die Architekturbranche ist sehr männerdominiert und es ist eine grosse Herausforderung, sich als Frau zu behaupten. Es erfordert eine grössere Stärke als für Männer, weil Männer mehr den Erwartungen der männlichen Kollegen entsprechen. Viele davon ticken ausserdem sehr konservativ, wie es die ganze Branche tut. Andere Gründe sind privater Natur. Mit einem Pensum unterhalb von 80 Prozent ist es beinahe unmöglich, in einer leitenden Position zu arbeiten. So fliegen viele Frauen mit Kindern raus. Da sind einerseits die Politik, aber auch die Lebenspartner der Frauen gefragt, sie zu unterstützen.

«Es ist fast unmöglich als Frau an gewisse Positionen zu kommen»

Du bist Geschäftsleiterin eines Architekturbüros. Wie sind deine persönlichen Erfahrungen?
Ich hatte Glück mit meinem Geschäftspartner, der mich für diese Position angefragt hat. Für ihn zählen Kompetenzen, nicht das Geschlecht. Davor habe ich als Angestellte in einem anderen Büro sowie elf Jahre als selbständige Architektin gearbeitet. Da habe ich schon die Erfahrung gemacht, dass es schwierig, bis fast unmöglich ist, als Frau an gewisse Positionen zu kommen. Dabei hatte ich immer ein gutes Verhältnis zu meinen Chefs und meine Arbeit wurde geschätzt. Aber es fühlte sich zuweilen so an, als gäbe es eine gläserne Decke zwischen mir und der Geschäftsleitung. Es kam mir vor wie eine Gemeinschaft, eingeschworen auf eine Art der Zusammenarbeit, die von männlichen Verhaltensmustern geprägt ist. Als Frau ist es wichtig, sich unabhängig davon zu machen. Dass man ein Netzwerk hat und selbständig Bürogemeinschaften oder Partnerschaften eingehen kann. Genau deshalb gibt es das Netzwerk «Frau und SIA».

Was habt ihr bisher erreicht?
Jede Regionalgruppe hat ihren eigenen Fokus. In Basel bieten wir monatlich gemeinsame Mittagessen an, um Erfahrungen auszutauschen und sich zu vernetzen, oder laden zu Besichtigungen ein. Die Regionalstelle Basel hat heute 180 Interessierte im Verteiler, unsere Veranstaltungen sind fast immer ausgebucht. Auch mein eigenes Netzwerk hat sich in der Zeit potenziert. Als ich anfing, war noch keine Frau im Vorstand des SIA. Heute sind es drei - und ich bin als nächste für die Vorstandswahlen im April nominiert. Und: Die Zahl der weiblichen Mitglieder des SIA ist von sechs auf mittlerweile 13 Prozent gewachsen. Das liegt sicher nicht nur an dem Netzwerk, sondern auch an einem Generationenwechsel, der gerade stattfindet.

Und wo wollt ihr hin?
Das ist immer die Frage: wann braucht es das Netzwerk nicht mehr? Persönlich würde ich mir einen Mitgliederanteil von mindestens 25 Prozent Frauen wünschen. Ich denke, dort fängt es an, dass es sich für Frauen normal anfühlt, dabei zu sein. Darauf kann man aufbauen.


Auch für Kreativschaffende gibt es immer zahlreichere Möglichkeiten, sich weiterzubilden. Eines der neuesten Angebote ist der berufsbegleitende Bildungsgang Visual Merchandising Design HF an der Schule für Gestaltung Basel. «Im Kern geht es um die räumliche Übersetzung von Produkten, Marken oder Dienstleistungen», sagt Studienleiterin Isabelle Born. Konkret um das Gestalten von Ladenflächen, Events oder Messeständen. Dafür können die Studierenden etwa im schulinternen Raumlabor Prototypen für Ladeneinrichtungen entwickeln (s. Bild). Die aktuell 13 Teilnehmenden arbeiten als Polydesignerinnen, technische Zeichner oder Grafikerinnen und erlangen nach drei Jahren ein eidg. Diplom in Kommunikationsdesign HF. Einen Einblick bietet die erste Diplomausstellung vom 19. bis 24. Januar, für die auch «eigene Geschäftsideen lanciert und Marktchancen geortet wurden», wie Isabelle verrät.


Viele Kreativschaffende dürften folgende Situation kennen: Du hast eine tolle Projektidee, viel Inspiration und Energie, willst am liebsten gleich loslegen. Und dann, vermutlich steckst du bereits mitten im Prozess, taucht die Frage auf, die gerne lange verdrängt wird: Wie finanziere ich das? Gerade in der Kreativwirtschaft sind monetäre Interessen bei der Entwicklung von Projektideen meist sekundär – und daran ist grundsätzlich auch nichts auszusetzen. Schliesslich geht es um die Entfaltung von kreativem Potential, darum, etwas Neues zu erschaffen. Und doch lohnt sich eine frühzeitige Beschäftigung mit der Projektfinanzierung. Denn zwischen Vision und Finanzierung steckt eine intensive Auseinandersetzung, Recherche, das Erstellen von Unterlagen und eine zeitaufwändige Akquise. Alles in allem: ein ganzes Stück Arbeit, die auf den ersten Blick abschreckend wirken kann. Die Erarbeitung einer durchdachten Finanzierungsstrategie lohnt sich aber nicht nur monetär. Wie diese aussieht, hängt stark vom Projekt und den zeitlichen und personellen Ressourcen ab. Trotzdem gibt es ein paar Kriterien, die es in jedem Fall zu beachten lohnt:

Um eine zum Projekt passende Finanzierungsstrategie erarbeiten zu können, muss als erstes ein Konzept her. Dafür braucht es eine klar definierte Vision. Sie weist den Weg, um das Ziel zu erreichen. Es empfiehlt sich also, sich bereits im Vorfeld eingehend darüber Gedanken zu machen, warum es das Projekt unbedingt braucht, was es einzigartig macht und für wen daraus einen Mehrwert entsteht. Oder anders formuliert: Definiere deine potenzielle Zielgruppe! Damit hast du eine gute Basis, um zu evaluieren, wer als potentieller Geldgeber in Frage kommen könnte.

Die Zeit kann über den Erfolg entscheiden

Besonders für gemeinnützige Projekte lohnt sich ein Blick in die verschiedenen Stiftungsverzeichnisse. Für Vorhaben mit grosser medialer Aufmerksamkeit oder publikumswirksamem Programm könnte die Akquise von Sponsoringgeldern eine Möglichkeit sein. Originell verpackt und sorgfältig entwickelt sind auch Crowdfundingprojekte erfolgsversprechend, vor allem dann, wenn mit einer Idee möglichst viele Partikularinteressen befriedigt werden können. Vielleicht ist sogar eine Mischrechnung sinnvoll. Die Ansprüche von Stiftungen an ein Förderprojekt unterscheiden sich oft grundsätzlich von den Interessen der Sponsoren, weshalb auch unterschiedliche Kriterien für den finalen Stiftungs- oder Unternehmensentscheid relevant sind. Eine Crowdfunding-Plattform testet man am besten im Voraus im eigenen Umfeld. Unterschätze dabei nicht den Faktor Zeit! Viele Stiftungen geben für Projekteingaben meist Fristen vor und auch Sponsoren müssen ihre Budgets frühzeitig planen.

Das Gute an dem leidigen Thema: Die einzelnen Arbeitsschritte sind auch unabhängig von der Finanzierung gewinnbringend und haben mir schon einige Male dabei geholfen, eine Projektidee nochmals ganzheitlich zu überdenken und weiterzuentwickeln. Sie geben dem Projekt Struktur und machen es besser planbar. Allgemein gilt: Wer sich frühzeitig mit dem Thema auseinandersetzt und genügend Zeit einplant, ist auf dem richtigen Weg. Auch Absagen gehören dazu – dafür gewinnt man mit jedem Versuch einen wertvollen Kontakt dazu.

Andrea Schorro ist Expertin für Live-Kommunikation und Sponsoring.
Bei Fragen oder Anregungen, schreib Andrea: schorro.andrea@gmail.com


Interview mit Ricarda Gerosa und Nadja Müller von RestKunst Basel

Liebe Ricarda, liebe Nadja, ihr habt den Verein RestKunst Basel gegründet mit dem Ziel, das Thema Künstlernachlässe in die Öffentlichkeit zu holen. Warum ist das notwendig?
Ricarda: Es gibt immer mehr Kunstschaffende, die Branche boomt, nicht nur in Basel. Der Kunstmarkt und die Museen sind immer globaler ausgerichtet. Mehr als früher drängt sich da die Frage auf: Wohin mit den hinterlassenen Werken regionaler Künstler? Rechtlich sind die Erben für den Nachlass verantwortlich, viele sind damit aber überfordert.
Nadja: Auch wollen viele KünstlerInnen ihr Erbe nicht den Nachkommen aufbürden und noch zu Lebzeiten selber eine Lösung suchen.

Aber die gibt es nicht?
Ricarda: Seit zwei Jahren gibt es die Schweizerische Beratungsstelle für Künstlernachlässe des SIK-ISEA , die auch einen Ratgeber zum Thema herausgegeben hat. Dann stehen die Erben aber immer noch vor der Frage, wohin mit der Kunst. Wir wollen deshalb ein Basler Kunstlagerhaus gründen, in dem ausgewählte Werke eine Bleibe finden und öffentlich zugänglich sind. Regionale Kunst ist auch eine Form von Kulturerbe.

Birgt so ein fixer Ort nicht die Gefahr eines Künstlergrabes?
Nadja: In unserer Vision ist das ein lebendiger Ort mit wechselnden Ausstellungen und im Dialog mit zeitgenössischer Kunst. Auktionen sind eine Idee oder eine Artothek, bei der man Kunst ausleihen kann. So bleibt sie weiterhin sichtbar, was sich sowohl Kunstschaffende wie Erben wünschen. Es gibt ähnliche Projekte in Bern oder Pully. Dass wir ausgerechnet in der Schweizer Kunsthauptstadt kein Angebot haben, ist eine Lücke, die wir schliessen wollen.

Bei einem Kick-off-Event Anfang November im Projektraum M54 habt ihr die Werke des 89-jährigen Künstlers René Schlittler zuerst ausgestellt, dann versteigert. Was übrig blieb, sollte anschliessend vernichtet werden. Wie lief das ab?
Ricarda: Vor unserem Event interessierte sich niemand für René Schlittlers Werk. Da der Künstler sein Atelier räumen musste, hat er uns den ganzen Vorlass für unsere Sensibilisierungsaktion zur Verfügung gestellt. Es war eindrücklich, sein ganzes Lebenswerk zeigen zu können und die Versteigerung lief gut. Nachdem eine Besucherin heftig gegen die bevorstehende Verabschiedung und Zerstörung der übrigen Werke intervenierte, hat sich eine Stieftochter des Künstler unerwartet bereit erklärt, die verbleibenden Werke zu übernehmen. Die grossformatigen Objekte sind schliesslich dennoch in der Mulde gelandet, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, wie das ja meistens der Fall ist.
Nadja: Das war ein interessanter Prozess, denn wir haben gleich zwei Tabus berührt: Die Zerstörung von Kunst und den Tod. Die heftige Reaktion der Frau war verständlich. Persönlich fand ich es aber schade, dass die Aktion abgebrochen wurde. Unsere Absicht ist, den Umgang mit Kunstnachlässen an die Öffentlichkeit zu bringen und zu zeigen, was im Verborgenen schon die ganze Zeit geschieht – nämlich die Vernichtung von Kunst. Am Kick-off-Event wollten wir gemeinsam davon Abschied nehmen.

Nadja, du arbeitest auch als Pfarrerin im Kleinbasel und kennst dich mit dem Thema Vergänglichkeit aus. Wie wichtig ist die rituelle Verabschiedung von Kunst?
Nadja: Sie hilft, besser loszulassen. Von einem Teil der Kunst muss man sich zwangsläufig verabschieden, da nicht alles aufbewahrt werden kann. Und Kunst ist halt immer auch beseelt.

Der Verein RestKunst Basel ist derzeit im Aufbau eines Projektteams und auf der Suche nach einer geeigneten Räumlichkeit für das Kunstlagerhaus. Interessierte können über die Website (https://www.restkunst-basel.ch) Kontakt mit den Initiantinnen aufnehmen.


Was hat ein Webstuhl mit einem Computer zu tun? Sehr viel, sagt Anna Cordasco, Mitbegründerin des Vereins «Institut für Textiles Forschen». Es war der Franzose Joseph-Marie Jacquard der Ende des 18. Jahrhunderts einen mit Lochkarten gesteuerten Webstuhl entwickelte. Mit dieser Technik legte er den Grundstein für die spätere Entwicklung der Rechnungsmaschine. «Unsere modernste Technologie hat ihren Ursprung in einem der ältesten Handwerk der Menschheit», sagt die 28-jährige Anna. Da dränge sich die Frage auf: Wie sieht ein zeitgemässer Umgang mit textilem Handwerk aus? Neben Forschen und Experimentieren mit verschiedenen Materialen geht es dem Verein vor allem darum, ein textiles Netzwerk zu knüpfen und das Handwerk wieder stärker an die Öffentlichkeit zu bringen. «Unser ganzes Leben ist umgeben von Textilien», sagt Anna. Unsere Kleidung, unsere Bettwäsche, unsere Vorhänge, unsere Handtücher. «Gleichzeitig wissen viele nicht mehr, wie man einen Knopf annäht.» Dieser Diskrepanz will der Verein entgegenwirken, mit Workshops, Vorträgen, Ausstellungen. Oder dem Stadtspaziergang, der am 10. November zum ersten Mal stattfindet.

In diesem Sommer hat sich ein festes Vereinsteam formiert, neben Anna sind Meret Hammel, Kira Herrmann, Stephanie Lovász, Barbara Muff und Arlène Stebler dabei. Ziel sei es, für das nächste Jahr ein fixes Programm aufzustellen. Ein erster Programmpunkt ist der Stickclub, der aktuell jeden Dienstag Abend in der Stadtwerkstatt von Anna und Barbara durchgeführt wird. Barbara hat Modedesign in Basel studiert und danach mit Atelier Mondial ein Jahr in Mexiko gearbeitet, wo traditionelles Handwerk noch fest in der Gesellschaft verankert ist. Langsam erlebt Barbara auch in der Schweiz ein aufkeimendes Interesse an textilen Arbeiten. «Die Leute wollen wieder selber machen, um selber zu verstehen», sagt Barbara.

Wie gross die textile Vielfalt in Basel ist bemerkte Anna bei der Recherche für das Projekt «Gestickte Identität», das diesen Sommer im Museum der Kulturen gezeigt wurde. Zusammen mit Kolleginnen besuchten sie zu Beginn drei Personen in Basel, die ihnen ihre gestickten Schätze zeigten. Im Anschluss konnten die Besuchten eine andere Person empfehlen, die das Team als nächstes aufsuchen sollte. Daraus sind 15 Porträts mit Gesticktem und ihren BesitzerInnen entstanden, die nun in einer Publikation vorliegen. «Es gibt mehr Menschen die mit textilem Handwerk zu tun haben als ich dachte», sagt Anna. Es ist diese Vielfalt, die der Verein vernetzen will. Oder, wie sie es poetischer auf ihrer Homepage formulieren: So wie in Textilien einzelne Fasern zu einer Struktur verbunden werden, ist das Ziel des Instituts, Verbindungen auf sozialer, handwerklicher und gestalterischer Ebene zu schaffen.


Am 14. November vergibt Basel seinen jährlichen Pop-Preis. Ein guter Zeitpunkt, die lokale Musikindustrie etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Denn ganzheitlich betrachtet, bezieht sie alle Formen der Kunst mit ein und fungiert als kulturelles Barometer einer ganzen Generation.

Mit dem Montreux Jazz Festival, der Baloise Session, einer Vielzahl an Open Airs und einer breiten Palette an international renommierten Clubs beweist die Schweiz, dass sie es versteht, gekonnt Musik zu importieren. Der Musikexport bleibt dabei verhältnismässig auf der Strecke. Man könnte dies jetzt auf sprachliche Hindernisse oder die Grösse des Marktes schieben. Diese Argumente versagen jedoch bei einem Blick in vergleichbare Länder. Die Niederlande als Beispiel zeigt, dass die Grösse oder Sprache einer Nation nicht zwingend einen Einfluss auf deren Musikexport haben: Mit Tiësto, Armin van Buuren und weiteren Acts, führen die Holländer die Liste der Topverdiener des EDM’s («Electronic-Dance-Music») an. Auch im «Underground» bieten sie Berlin als Metropole des Techno's paroli und niederländische Eventagenturen stemmen Grossproduktionen über den ganzen Globus verteilt.

Wie kann eine so kleine Nation derartige internationale Erfolge verbuchen? Die Antwort ist simpel: Funktionierende Strukturen, substanzielle Investitions- und Förderbeiträge. Diese Entwicklung hat auch das von den USA kulturell dominierte Kanada erkannt: Das Land dient heute als Paradebeispiel für eine kooperative Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft.

Alleine mit den Fördergeldern des kanadischen Pendants zur ProHelvetia namens «FACTOR» werden jährlich 18 Millionen Dollar in die lokale Musikindustrie gepumpt. Weitere 10 Millionen Dollar werden durch «Radio Starmaker» subsidiär beigesteuert – der frankophone Teil des Landes nicht mit einberechnet. Als Resultat davon schafft die kanadische Musikindustrie heute 13’000 Jobs und generiert 93 Millionen Dollar Steuereinnahmen. Das Land exportiert internationale Superstars wie Drake, Justin Bieber oder Nelly Furtado und hielt in jüngster Vergangenheit sieben der zehn Top10 Hits in den Billboard Charts. Kanada versteht die Förderung daher nicht nur als kulturellen Auftrag, sondern auch als ein ökonomisch sinnvolles Investment: Für jeden Dollar erhält der Staat 1.22 Dollar als Steuern zurück.

Während klassische Dienstleistungssektoren mit der digitalen Umwälzung kämpfen, werden der Unterhaltungs- und Medienindustrie die grössten Wachstumsraten prognostiziert. Die Frage stellt sich daher nicht, ob Kulturförderung sinnvoll oder notwendig ist, sondern vielmehr wie hoch sie sein kann und wie sie eingesetzt wird. Trotz weltweit höchster Stiftungsdichte und einer langen Tradition der Kulturförderung sollte in der Schweiz ein Umdenken in deren Handhabung stattfinden. Kulturförderung muss nicht zwingend defizitär oder altruistisch sein, sondern kann gerade in der Populärmusik als Investition verstanden werden, deren Mehrwert nicht nur gesellschaftlich sondern auch ökonomisch relevant ist.
Wenn man bedenkt, dass der Basler Musikexport derzeit ein Budget von jährlich ca. 200’000 Franken zugesprochen bekommt, grenzt es beinahe an ein Wunder, dass Projekte wie die Nominierten des Basler Pop Preises überhaupt bestehen können. Es ist nicht zuletzt der Freiwilligenarbeit all jener zu verdanken, die sich schon heute für die Vision einer etablierten Musikszene einsetzen.

Jannik Roth ist Artist Manager bei Planisphere
Fragen an: jannik@planisphere.eu


Die Veranstaltungsreihe „Tour de Création“, von kreaB und seinen Mitgliedern initiiert, richtet jährlich in einem anderen Quartier die Lupe auf die Basler Kreativschaffenden und verknüpft alle Akteure und Interessierte miteinander. Im September 2018 haben wir der Kleinbasler Altstadt rund um die Rhein- und Utengasse einen Besuch abgestattet.

16 Ateliers rund um die Rhein- und Utengasse öffneten am Abend des 13. Septembers 2018 ihre Türen. Unter dem Motto „Gesetztes in Bewegung bringen“, erwartete die Besucherinnen und Besucher eine intime Atmosphäre mit Kreativschaffenden. So konnte man es sich zum Beispiel in den Bürostühlen der Artist-Management-Agentur Planisphere bequem machen und erfahren, was gute Popmusik heute ausmacht und warum es einen Hit von Nelly Furtado ohne die Agentur nicht geben würde. Marcel von Stadtbrueder-Film erzählte von der Produktion des schnellsten Musikvideos, im Atelier von Regula Freiburghaus gab es Silberringe in Pflanzenform zu bestaunen, in einem anderen die neuste Mode-Kollektion von Stephage. Eine Besonderheit dieser Tour war die Live-Musik, deren Klänge fast jeden Winkel der Kleinbasler Altstadt erreichten. Darunter die Marchingband der Knaben- und Mädchenmusik Basel, die Black Forest Percussion Group oder die Bratschistin Ada Myriel Meinich. Leuchtende Bäume auf Rädern kurven durch die Gassen und warben für den Event. Zum Abschluss verzehrten wir Vegi-Burger unter einem improvisierten Zelt und Leckereien der Kult-Bäckerei. Das beste an dem kühlen Wetter: Es liess die Menschen noch enger zusammenrücken und sorgte so für einen besonders anregenden Austausch von Kreativschaffenden und Interessierten. Wir machen es wieder – und zwar am 12. September 2019 im Grossbasel. Das Quartier wird noch bekanntgegeben. Wir freuen uns auf euch!


Digitale Suchmaschinen wie Google sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Dass wir mit jeder gestellten Frage unsere Interessen in Form von Daten einem Riesenkonzern schenken, wissen wir zwar inzwischen, kümmert uns aber erschreckend wenig. Das muss sich ändern, fand Jonas Schwarz aus Basel — und lancierte zusammen mit Fabian Schumacher und Christoph Wirz die App „ask mask“. Die Idee: Deine Frage wird von Menschen statt von Algorithmen beantwortet. Dein Profil ist privat, deine Daten nicht einsehbar für Dritte. Das Prinzip: Als Nutzer kannst du die Themen angeben, in denen du dich auskennst. Stellst du eine Frage, wird sie mit denjenigen Nutzern „gematched", die ausgewiesene Experten auf dem Gebiet sind. Als Profilbild bekommst du eine Maske, als Sinnbild für die anonymisierte Suche.
 
554 Nutzer, 7 Fragen
Jonas sieht die App dabei als Ergänzung, die zu einem reflektierten Umgang mit Suchmaschinen beitragen kann. „Google kann viel. Aber wir sollten uns bewusst sein, dass die Antworten keine reinen Fakten sind. Sondern bezahlte Inhalte.“ Der 36-Jährige ist bereits ein alter Hase in der Schweizer Start-up-Szene. Mit 16 Jahren hat er sein erstes Start-up gegründet, eine analoge Plattform für Musiker. Es folgten etwa ein Schönheitswettbewerb und eine T-Shirt-Firma. Erst mit seiner letzten App „Tagxy“ hat er sich 2012 in den digitalen Bereich hervorgewagt: Eine Augemented Reality App, mit der die Nutzer ihre Umgebung scannen und kommentieren können. Die Anwendung gelangte unter die Finalisten des Jungunternehmerpreises Nordwestschweiz.
 
Ein Schlüsselerlebnis für die Gründung von ask mask war für Jonas ein Konzertbesuch mit seinem Kollegen Fabian. Sie stellten sich die Frage: Wäre es denkbar, dass die anwesenden geschätzten 10 000 Zuschauer über genügend Know-how verfügen, um alle meine Fragen zu beantworten? Damit war ask mask geboren, seit Juli 2017 ist die App für alle iOS-Geräte verfügbar, bald auch für Android. Derzeit sind 554 Nutzer registriert die durchschnittlich sieben Fragen täglich stellen. Noch werden sie von Jonas und seinem Team kontrolliert. In die Chatverläufe haben sie jedoch keine Einsicht. Problematische Schlagwörter stehen auf einer Blacklist und werden gemeldet. Wer sich nicht an die Regeln hält, wird blockiert. Auch die Telefonnummer müssen Nutzer für die Verifizierung hinterlegen. Es sind Sicherheitsleinen für die Gefahren, die die Anonymität in sich bergen kann.
 
Fähigkeit zum Dialog
Was ask mask dem Giganten Google ebenfalls voraus hat, ist die Fähigkeit zum Dialog. Wen eine Antwort nicht befriedigt, kann nachfragen. Bisher gingen über 80 000 Nachrichten hin und her. Damit sich das Projekt irgendwann finanziell lohnt, wollen die Gründer auch Unternehmen an Bord holen. Diese werden transparent als solche ausgewiesen, müssen für ein verifiziertes Profil bezahlen, sowie für die Fragen, die sie beantworten wollen. „Die meisten Fragen drehen sich bisher um Empfehlungen“, sagt Jonas, etwa über den besten Brunch oder die beste Bar einer Stadt. Er hofft, dass sich die Zahl der Nutzerinnen bald verdoppelt wird. Und irgendwann vielleicht jene der Konzertbesucher erreicht, die ihn für die Umsetzung inspirierte. Neugierig? Also Google nicht – frage mask! Und komm mit Menschen in Kontakt.


Zugegeben, wir haben uns die Latte selber hoch gelegt: kreaB will die Lobby der Kreativen sein. Sich mit Politik, Verbänden, Stiftungen und Hochschulen vernetzen. So steht es auf unserer Website. Im Spätsommer haben wir intensiv an diesen Themen gearbeitet und uns die Frage gestellt: Was brauchen Kreativschaffende von der Politik? Und was braucht die Politik von uns?

Im Salon mit der Abteilung Kultur
Am 30. August besuchten Katrin Grögel und Sonja Kuhn, die Leiterinnen der Abteilung Kultur im Präsidialdepartement, den 11. Salon des Créateurs im Hof des Staatsarchivs. Wir hatten sie zu einem offenen Dialog eingeladen, um einander kennenzulernen. Etwa 20 Mitglieder und andere interessierte Personen waren dabei. Katrin Grögel und Sonja Kuhn begegneten uns offen. Sofort entspann sich ein Dialog über Arbeits- und Lebensbedingungen, den freien Markt und subventionierte Kunst, über neue Wege in der (Kultur-)Förderung. Der Abend war so anregend, dass die Luft spürbar flirrte.
Was nehmen wir mit aus diesem Gespräch? Dass die Türen der Abteilung Kultur für uns weit offen stehen. Dass wir mit Katrin Grögel und Sonja Kuhn zwei Verbündete gewonnen haben, die uns ihre Kontakte und ihre Erfahrung zur Verfügung stellen. Dass wir aber vor allem selber aktiv werden müssen. „Denkt gross!“ rief Katrin Grögel uns zu. Für uns heisst das zum Beispiel, uns in die Politik einzubringen, den Kontakt mit Grossrätinnen und Grossräten zu suchen, uns mit konkreten Vorschlägen zu Wort zu melden — auch wenn es nicht direkt um Kultur geht. Sondern etwa um Wirtschafts- oder Finanzpolitik, oder um vermeintlich langweilige, aber eben existenzielle Themen wie die berufliche Vorsorge.

Raus aus den Ateliers, rein in die Politik
Den Schwung des Gesprächs mit Katrin Grögel und Sonja Kuhn nahmen wir gleich mit an die Tour de Création, die passend unter dem Motto „Gesetztes in Bewegung bringen“ am 13. September stattfand. Gastredner war Sebastian Kölliker, SP-Grossrat und als ehemaliger Präsident des Jugendkulturfestivals (JKF) bestens vertraut mit dem Alltag von Kreativschaffenden. Wir stellten ihm die Frage: Was weiss der Grosse Rat von kreaB oder von den Anliegen unserer Mitglieder? Seine Antwort war kurz und bündig: „Nichts.“ Man höre gar nichts von uns, die Kreativwirtschaft sei kaum je ein Thema in den Ratsdebatten. Und klar, selbst wenn der Grosse Rat ein Geschäft an die Regierung überweist, ist das noch lange keine Garantie dafür, dass danach wirklich etwas passiert. Das hat Sebastian Kölliker beim JKF oft genug erlebt. Trotzdem forderte auch er uns auf: «Seid unbequem, seid direkt, meldet euch zu Wort.»
Das klingt gut. Weniger klagen, mehr tun. Nur was genau? Einige Ideen haben wir: kreaB will eine Geschäftsstelle einrichten, um bestimmte administrative und kommunikative Arbeiten zu professionalisieren. Wir prüfen verschiedene Wege, diese Idee umzusetzen. Ein weiteres Thema ist die Unterstützung für Berufseinsteigerinnen und -einsteiger. In diesem Bereich könnte kreaB eine Lücke füllen.
Sind wir auf dem richtigen Weg? Um das zu erfahren, brauchen wir immer wieder das Gespräch mit euch, unseren Mitgliedern. Also: Schreibt uns, kommt an unsere Salons, besucht die Tour de Création, werbt in eurem Umfeld für kreaB. Nur so können wir das Richtige tun und gemeinsam etwas bewegen.

Janine Kern ist Vorstandsmitglied von kreaB und Mitinhaberin der Kommunikationsagentur wortgewandt


«Die Kreativwirtschaft ist kein besonders guter Gastgeber»

KreaB: Jan, wie kam die Idee, eine Agentur mit Geflüchteten aus der Kreativwirtschaft zu gründen?
Jan Knopp: Es ist nun bestimmt drei Jahre her, als ich auf der Heimfahrt mit einem iranischen Taxifahrer ins Gespräch kam, der mir erzählte, dass er früher in Teheran in einer Werbeagentur tätig war. Er war zufrieden, dass er jetzt hier sein und Taxifahren darf, aber ich dachte mir: das ist doch verschenktes Potenzial! Von da an kam ich mit immer mehr Migranten ins Gespräch, die früher in ihrem Heimatland in der Kreativwirtschaft tätig waren.

Woran liegt es, dass sie es in der Schweiz nicht mehr sind?
Nun, die Kreativwirtschaft ist kein besonders guter Gastgeber. Sie ist nicht sehr freundlich darin, Dinge auszuprobieren. Vieles muss bereits von Anfang funktionieren, weil ja alles Geld kostet. Selbst für mich, der aus Hamburg nach Basel kam, war es nicht ganz einfach, hier als Designer Fuss zu fassen. Mit Studio Clash wollen wir dem nun entgegen wirken und den Praxistext wagen.

Was sind die Herausforderungen bei der Umsetzung?
Derzeit sind sie noch ganz praktischer Natur. Viele Asylsuchende, die interessiert sind, kommen aus anderen Kantonen und können mit ihrem Status den Kanton nicht wechseln. Zwei Bewerber kommen sogar aus Deutschland, aus Weil am Rhein und Lörrach. Ihnen ist ein Besuch in die Schweiz nicht erlaubt. Das heisst, wir müssen beweglich sein und unser Studio je nach dem an unterschiedliche Orte verlagern. So entsteht das Projekt erst mit den Menschen, die mitmachen werden.

Welchen kulturellen «Clash» erwartet ihr von dem Projekt?
Das wird sich herausstellen. Es müssen sicher andere Fragen gestellt werden, weil es andere Antworten braucht. Spannend wird es etwa bei der visuellen Sprache, die sich je nach Land unterscheiden kann. Andere Kulturen haben andere Vorstellungen von Schönheit, je nach dem eine andere Schrift und wenden andere Farben an. Uns geht es nicht darum, möglichst viele Migranten in die Kreativwirtschaft zu pressen. Vielmehr wollen wir ein Gefäss schaffen, in dem sich beide begegnen können und eine Zusammenarbeit möglich ist.

Was erhofft ihr euch von dieser Zusammenarbeit?
Der Kontakt mit anderen Herangehensweisen, anderen Denkformen und Sprachen, kann das eigene Schaffen erweitern. Man ruht sich ja gerne aus auf seinen Gewohnheiten und seinem Können. Für die Migranten kann es ein Weg sein zu verstehen, wie wir funktionieren. Und dadurch eine Chance, sich selbst zu positionieren in der hiesigen Kreativwirtschaft. Vielleicht gerade in dem sie sich abgrenzen statt anpassen. Es ist für uns alle ein Experiment, von dem wir noch nicht wissen, wohin es führt.

Jan Knopp ist Designer und gründete zusammen mit Hans-Jörg Walter und David Herrmann das Projekt «Studio Clash». Noch werden Teilnehmerinnen und Teilnehmer gesucht. Hier (https://www.stadtwerkstatt-basel.ch/ausschreibung/) gehts zur Bewerbung.


Wir sind zu Dritt. Ein Graphic Designer, eine Historikerin mit einem Master in Visual Media Arts und ich, eine selbständige Soziologin. Wir entwickeln zusammen eine App für Studierende in Gestaltung und Kunst, die erste Hilfe beim ersten Schritt in den Beruf bietet. In diesem Projekt arbeiten wir als co-kreatives und kooperatives Team. Genau genommen: vier Fünftel co-kreativ und ein Fünftel kooperativ. Warum? Weil es mehr Spass macht und weil es dem Projekt einen Mehrwert bringt. Einfach gesagt. Aber zuerst zur Erklärung, wie sich die beiden Arbeitsweisen unterscheiden: Co-kreativ heisst für uns, dass alle Projektetappen und -schritte gemeinsam gestaltet und alle Entscheide, ob nun strategischer oder inhaltlicher Art, gemeinsam gefällt werden. Kooperativ sind wir nur dann unterwegs, wenn wir eine zeitlich befristete, externe Partnerschaft eingehen wie zum Beispiel mit den Informatikern oder Lektorinnen: Sie bringen ihr Fachwissen ein, doch wir sind es, die letztlich entscheiden. In diesen Fällen besteht eine klare Arbeitsteilung zwischen ihnen und uns.

In unserem co-kreativen Vorgehen hingegen findet die Arbeitsverteilung fallweise statt und ist keine systematische (Auf-)Teilung der Aufgaben. Diese Form ist situativer und bindet alle mit ein. Das wiederum ist nur möglich, weil wir eine entsprechende Haltung pflegen. Wir sind ein Team und unsere Arbeitshaltung und unser Verhältnis zueinander kann am besten mit dem Begriff «sportlich» gekennzeichnet werden. Nach innen heisst das, dass wir uns gegenseitig zu Höchstleistungen anstacheln und einander nicht Konkurrenz, sondern Ergänzung sind. Unsere Zusammenarbeit ist von grosser Ehrlichkeit und thematischer Durchlässigkeit geprägt. Niemand von uns pflegt sein oder ihr eigenes Gärtchen.

Dabei kommt uns zu Gute, dass wir zusammen auf 95 Jahre Berufserfahrung kommen. In dieser Zeit haben wir uns viel Fachwissen angeeignet, das wir teilen können. Diese Erfahrungs- und Kompetenzdichte beschleunigt und beflügelt unsere co-kreative Arbeit und schafft uns Zeit für «Rückkoppelungs-Loops». Dadurch sind wir schnell, solide und einfallsreich unterwegs. Womit wir wieder bei der einfachen Antwort sind: Das macht ausgesprochen Spass und bringt einem Mehrwert für das Projekt!

Angela Grosso Ciponte, Soziologin lic.phil., entwickelt zusammen mit Danilo Silvestri, Graphic Designer, und Catherine Sokoloff, Historikerin lic.phil., MA Visula Media Arts eine App. Alle drei arbeiten auch als Dozent_innen an der FHNW HGK. Die App stellen sie den Mitgliedern von KreaB an einem Anlass Anfang 2019 exklusiv vor.


Man hört sie alle Jahre wieder; etablierte Kulturinstitutionen, die nach mehr Geld schreien und Museen, die mal wieder einen Neubau verlangen. Auch deswegen steigt das ordentliche Kulturbudget kontinuierlich an. Doch was sieht die Jugendkultur davon? Bis jetzt herzlich wenig. Im Moment liegt der Anteil dieser Kultursparte am ordentlichen Kulturbudget bei rund 3,5 Prozent. Tendenz sinkend. Deshalb hat das Komitee «Kulturstadt Jetzt» die Trinkgeldinitiative lanciert. Diese verlangt mindestens 5 Prozent für die Basler Jugendkultur, die auch die Sub-, Pop-, Club- und Alternativkultur einschliesst. Das wäre nicht mehr als ein Trinkgeld – aber es wäre ein Anfang.

Bunter Haufen braucht Zukunft
Es kann nämlich sein, dass selbst etablierte und über die Kantonsgrenzen hinaus beliebte Veranstaltungen immer aufs Neue um die Finanzierung bibbern müssen. Die Vielfalt unserer schönen Stadt, die sich in so vielen kleinen und mutigen Kulturschaffenden zeigt, müssen wir mit aller Kraft erhalten. Und dafür braucht es dieses Trinkgeld.
Doch was bedeutet Jugendkultur und wer ist eigentlich noch jung genug, diese durchzuführen? Wäre vielleicht doch eher die Jungkultur das richtige Wort? Wie benamsen wir etwas so schön Unkonkretes, um keinen aus- sondern alle einzuschliessen? Gerade diese Vielfalt zu erfassen ist eine der schwierigsten Aufgaben von «Kulturstadt jetzt». Haben wir eine Idee davon bekommen, drängt sich die Frage auf: wie machen wir uns dafür stark, dass dieser Wildwuchs von Jugend-, Sub-, Pop-, Club- und Alternativkultur auch in Zukunft eine Chance hat, zu gedeihen?

Kostbares Gut umsonst verfügbar
Die Stadt Basel muss vielfältig und attraktiv bleiben, sie muss wachsen und zwar in allen Sparten. Dafür braucht es nicht nur grosse Staatskultur. Sondern eine bunte, kreative Szene, die aus und wegen kleinen Betrieben besteht. Und die auch dann noch Geld braucht, wenn aus kleinen Ideen stadtanerkannte Institutionen werden, wie beispielsweise das Festival «Im Fluss». Die grossen wie die kleinen Fische, die gegen den Hochkulturstrom schwimmen, kämpfen jährlich um Finanzierung – und somit um ihre Existenz. Viele von ihnen stellen ihr Angebot kostenlos zur Verfügung und ein Grossteil der Bevölkerung erfreut sich daran. Ein zuverlässiges Trinkgeld, das auch in Zeiten des Sparens nicht geschmälert wird, ist für diesen Service mehr als nur angemessen.
Das breite Komitee hinter der Trinkgeldinitiative macht deutlich, wie sehr das Anliegen von «Kulturstadt Jetzt» Anklang findet. Neben sieben GrossrätInnen und anderen PolitikerInnen aus den Parteien SP, Grüne, GLP und FDP sind mit Sandro Bernasconi (Kaserne), Gregory Brunold (K&G) und Alain Schnetz (Präsident JKF) auch Personen aus der Kulturszene vertreten. Sie alle machen sich stark für eine lebendige Kulturstadt. Gefragt ist nun die Unterstützung all jener, denen dieses Gut ebenfalls am Herzen liegt.
Unterstützen unter: http://kulturstadt-jetzt.ch/

Jo Vergeat ist Geschäftsleiterin des Komitees «Kulturstadt Jetzt»


Wir sind alle Fotografen. Wer ein Smartphone besitzt (und das sind derzeit mehr als 90 Prozent der Schweizer Bevölkerung), macht Fotos. Und zwar keine, die in einem Album im Regal verstauben, sondern solche, die hunderte unserer Freunde oder Follower in den Sozialen Medien sehen und mitunter tausende ihrer Freunde. Manch ein sogenannter Influencer finanziert sich gar seine Weltreise mit dem Fotoportal Instagram. Doch wie erkennt man den Profi-Fotografen unter den Amateuren? Und was tun die Profis dafür, nicht in der Bilderflut unterzugehen?

Als der Fotograf Dirk Wetzel 2003 auf eine Weltreise aufbrach, gab es weder Instagram noch Influencer. Wetzel hatte sich gerade von seiner ersten Karriere als Schlagzeuger losgesagt und zog mit einer analogen Kamera und Fotofilmen los. «Die Kamera sass wie ein Instrument in meiner Hand», beschreibt es Wetzel. Es dauerte noch ein paar Jahre bis er schliesslich umsattelte. Seit 2010 arbeitet der Lörracher als selbständiger Fotograf in Basel und anderen Ecken der Welt. Lieb ist ihm die Abwechslung seines Berufs: zu seinen Kompetenzbereichen gehören Firmenportraits, Geschäftsberichte, Reportage- oder Architekturfotografie. Am meisten schlägt sein Herz jedoch für das Portrait. Wiederholt ausgestellt wurde etwa seine Serie «about winning and losing», die Kämpfer der Mixed Martials Arts vor und nach ihren «fights» dokumentierte.

«Den richtigen Moment erwischt du nur, indem du dran bleibst», beschreibt Wetzel seine Arbeit – und genau daran erkenne man auch den Profi unter den Amateuren. «Ein Amateur macht Schnapsschüsse, ein Profi erarbeitet sich ein Bild.» Wetzel nennt das «ausfotografieren»: eine Situation aus allen möglichen Perspektiven und Stimmungen aufnehmen, bis das eine richtige Bild unter den neuzig falschen gefunden ist.

Betrachter sind nicht mehr beeindruckt
Zwar hat Wetzel seit seiner Weltreise nie mehr analog fotografiert, aber man findet auch keine Handybilder von ihm im Netz (schon gar keine Selfies!). Seinen Instagram-Account füttert er lediglich mit ausgesuchten Arbeiten, die er jeweils als dreiteilige Serie präsentiert. «Zu meinem Job gehört es auch, auf mindestens drei Internet-Plattformen präsent und up-to-date zu sein», ist er überzeugt. Besonders Instagram biete ihm viel Inspiration und Vernetzung, gleichzeitig sei es schwieriger geworden, herauszustechen. Die Betrachter seien durch die Bilderflut zunehmend abgestumpft und weniger beeindruckt von guten Bildern. Deshalb besucht Wetzel auch gerne Ausstellungen oder stellt selber aus. «Da ist eine gewissen Magie vorhanden, wenn du ein Bild in gross und echt siehst, das du nicht einfach wegscrollen kannst.»

Dirk Wetzel auf Facebook und Instagram folgen: livingpool.inc


Keine Frage, der Umbau des Stadtcasinos bedeutete eine grosse Veränderung für das Sinfonieorchester Basel. Vor allem für das zwölfköpfige Team, das hinter den Kulissen mit Planung, Administration und Marketing beschäftigt ist. Aber: «Uns allen war klar, dass das auch eine grosse Chance für was Neues ist», sagt Simone Staehelin, die unter anderem für das Marketing zuständig ist. Das Motto, das sich das Sinfonieorchester für die Zeit des Umbaus ab der Saison 2016/17 bis 2019/20 auf die Fahne schrieb, lautet «Wir sind unterwegs. Wir bespielen die ganze Stadt».

Rausgehen, das bedeutet, die Komfortzone zu verlassen. «Es war und ist schon ziemlich anstrengend» sagt Staehelin. Die Belohnung seien viele neue Denkanstösse und Ideen. Aus ihnen sind so unterschiedliche Produktionen wie «BRUCKNER+» im Münster oder die Picknickkonzerte im Innenhof des Museums der Kulturen entstanden. Überhaupt tritt das Sinfonieorchester nicht nur an verschiedenen Orten auf, sondern baute zudem das Programm aus. So gibt es viel mehr Kammermusikkonzerte im intimen Rahmen, aber auch grosse Blockbuster der Klassischen Musik, die ideal zum Musical-Theater passen.

Abonnentenzahlen sind stabil
Wer sich von den neuen Formaten besonders angezogen fühlte, habe sie teilweise überrascht, gesteht Staehelin. So habe man mit den Picknickkonzerten vor allem Jugendliche ansprechen wollen. Stattdessen sind sie zu einem beliebten Familienevent geworden. Anders bei den Cocktail-Konzerten im «Salle Belle Epoque» im Dreikönig. Da habe sich eingependelt, dass ein älteres Publikum die erste Vorstellung um 18 Uhr besucht, während es vor allem Geschäftsleute und Expats an die spätere Vorstellung zieht.

Der Aufwand, der mit den ungewöhnlichen Orten verbunden ist, habe sich gelohnt. «Die Abonnenten haben mitgemacht, dafür sind wir dankbar», so Staehelin. Die Bilanz nach der Halbzeit im Provisorium fällt positiv aus: Die Abozahlen sind stabil geblieben. Zudem konnte mit den Kammermusikformaten ein neues Publikum angesprochen werden. Sicherlich half dabei, dass einige von ihnen eintrittsfrei sind. «Wir hoffen, dass die Besucher auf den Geschmack kommen und künftig auch mal eines unserer Sinfoniekonzerte besuchen».

Erstaunlicherweise ist der Austausch mit den anderen Orchestern der Stadt auch während des Provisoriums eher gering. Zu sehr würden sie sich voneinander in ihrer Ausrichtung unterscheiden, erklärt Staehelin. Umso wichtiger für die neuen Produktionen sei das regionale Netzwerk mit Partnern wie Museen und Gastronomiebetrieben. Wie viel von dieser Zusammenarbeit für die Zeit nach dem Umbau erhalten bleibt, sei noch ungewiss, meint Staehelin. Denn: «Für uns ist es essentiell, im Neubau des Stadtcasinos präsent zu sein». Spurlos wir die turbulente Zeit jedoch nicht an ihnen vorübergehen – im positiven Sinne.



Freiräume und Zwischennutzungen sind Schlagwörter mit einer 50-jährigen Geschichte in Basel – die noch lange nicht zu Ende ist. Das wurde mir neulich klar, als ich die Ausstellung 68-88-18 besuchte. Was in den 1960er als autonome Bewegung begann, entwickelte sich durch die erste vertragliche Zwischennutzung im Schlotterbeck zu einer veritablen «Umnutzungsmaschine». Das hat Vor- und Nachteile.

Positiv ist, dass diese Art der Zwischennutzung es Menschen ermöglicht, sich kreativ und beruflich zu entfalten und eine einmalige Startmöglichkeit bietet. So hat sich die ursprüngliche Schlotterbeck-Gruppierung später in der ganzen Stadt verteilt. Die meisten zogen in den Werkraum pp (Warteck). Von da ging‘s weiter – eine Karawane der Aufwertung sozusagen – ins Bell, Nt/Areal und den Klybeckhafen. Nächste Etappe dürfte das Klybeck plus werden. Die Zwischennutzungen sind nicht nur ein Nährboden für Kunst und Kultur, sondern auch für Startups. Bestes Beispiel ist die ehemalige Softwarefirma Day. Angefangen hat alles im winzigen Rahmen auf dem Bell-Areal. Vor ein paar Jahren kaufte Adobe die kleine Basler Software für satte 240 Millionen. Das beweist eindrücklich, wie wichtig die Kreativbranche für den Wirtschaftsstandort Basel ist (einige glauben das ja immer noch nicht). Zwischennutzungen generieren also auch Arbeitsplätze. Das wird gern vergessen.

Heute werden Zwischennutzungen oft von Behörden oder Eigentümern initiiert, damit ein Areal während der Planungsphase nicht brach liegt. Diese Praxis muss kritisch hinterfragt werden. Denn in dieser Situation reden Verwaltung und Behörde zu stark mit. Auf diese Weise bewegen sich die Zwischennutzungen immer weiter weg von der Grundidee des Freiraums, der eine Graswurzelbewegung zulassen würde. Kommt hinzu, dass die hippen Gastrobetriebe und Unterhaltungstempel ein zwischengenutztes Gebiet nachhaltig verändern und zu Gentrifizierung führen. Die Mieten steigen und verdrängen Akteure, die man eigentlich anziehen wollte. Orte der Zwischennutzung werden so Opfer ihres eigenen Erfolgs – eine paradoxe Situation.

Viel steht auf dem Spiel
Dabei ist gerade die soziale Nachhaltigkeit solcher Entwicklungsgebiete besonders wichtig. Leider scheinen das viele Planer zu vergessen. Auch dafür gibt es ein prominentes Beispiel in Basel. Auf das lebendige Nt/Areal folgte das monotone Erlenmatt. Die Erdgeschosse, die für die öffentliche Nutzung vorgesehen waren, stehen zum Teil bis heute leer oder werden von Kitas betrieben. Unter öffentlicher Nutzung verstehen die meisten wohl etwas anderes. Dabei hätte es ganz anders kommen können. Und zwar, wenn man etwas von den Ideen und Nutzungen vom Nt/Areal für die Zeit nach dem Provisorium übernommen hätte. Dazu wäre ein Zwischenschritt, die so genannte Pilotnutzung nötig gewesen. Diese Phase des Enstehenlassens hätte in die Umnutzungsplanung miteinbezogen werden müssen. Auf diese Weise wäre die Transformation in ein lebendiges Quartier möglich gewesen.

So etwas darf sich nicht wiederholen. Verantwortung dafür tragen nicht nur Planer. Auch wir Kreativschaffenden müssen uns dieser grossen Herausforderung stellen und unseren Teil dazu beitragen. Wir alle können gemeinsam die Lebensqualität unserer Stadt mitformen und Einfluss nehmen auf ein kreatives und lebenswertes Basel.

Elias Aurel Rüedi, Architekt und kreaB Vorstandsmitglied



So ungewiss die Zukunft auch ist, in die uns der digitale Wandel führt. Sicher ist: Es braucht künftig mehr Kreative.
Zu dieser Erkenntnis sind Politik und Gesellschaft noch nicht gekommen. Prominent wird angesichts des digitalen Wandels nach Absolventen der MINT-Fächer – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – gerufen und die Lehrpläne werden entsprechend angepasst: mehr sogenannte harte Fächer und weniger weiche.

Zugleich erkennt der Technologiegigant Google, dass seine besten Teams nicht unbedingt jene mit den besten Ingenieuren sind, sondern die, deren Mitglieder insbesondere «Softskills» ausweisen: Empathie, Grosszügigkeit, gegenseitige Neugier, kritisches und vernetztes Denken sowie Kreativität. Allesamt Fähigkeiten, die nicht an eine bestimmte Disziplin gebunden sind, sondern die sowohl ein Ingenieur als auch ein Kunstmaler aufweisen kann.

Kreative sind gefragt
Was also braucht es? Sicher ist ein Grundverständnis für Natur und Technik wichtig. Dennoch sind Computer schlicht besser im Rechnen als wir. Aber das ist auch gut so. Denn so können wir uns auf das konzentrieren, was wir Menschen noch auf lange Zeit besser können: überraschende und vermeintlich unstrukturierte Ideen generieren, denken, kreativ sein und nicht repetitive lineare Verknüpfungen erstellen. Alles Dinge, die wir als Kreative besonders gut können. Deshalb werden wir künftig ebenso gefragt sein, wie Ingenieure. Nicht zufällig lernen Letztere heute mit «Design-Thinking» Konzepte, die in einer kreativen Ausbildung längst Anwendung finden.

Voraussetzung ist jedoch die Bereitschaft von uns Kreativschaffenden, uns auf die neuen Konzepte des digitalen Wandels einzulassen und diese anzueignen. Wir brauchen neue Gestaltungs-, Sprach-, Kompositions- und Bildkonzepte, um das Potential der neuen Technologien zu erschliessen. Geht es um «Mixed Realities», das «Additive Manufacturing» oder die Datenvisualisierung, eröffnen sich der Kreativwirtschaft eine bislang ungekannte Vielfalt an neuen Wirkungs- und Geschäftsfeldern.

Keine Angst vor der digitalen Welt
Um zu reüssieren, ist es essentiell, dass wir uns austauschen und uns die Mentalität der digitalen Welt zu eigen machen oder gar noch stärker kultivieren: ausprobieren, teilen, weiterentwickeln, kritisieren, lernen ... Hier bietet kreaB als Verband der Basler Kreativwirtschaft ein Gefäss, das uns allen hilft, uns über die Branchengrenzen zu vernetzten und die digitale Welt zu erkunden. So stellen wir gemeinsam sicher, dass neben der IT auch die Kreativwirtschaft zur zweiten essentiellen Querschnittsbranche der Zukunft wird.

Elias Schäfer


Hinter jedem Plakat stecken unzählige Entwürfe, die ein Gestalter entwickelt und dann doch wieder verworfen hat. Wieso er sich für oder gegen eine bestimmte Darstellung entschied, kann er meist selbst nicht so genau sagen. Oft sind es intuitive Entscheidungen, basierend auf Erfahrungswerten, die zu einem Endprodukt führen. Paloma López will verstehen, was hinter diesen intuitiven Entscheidungen steht. «Ich mache eigentlich einen Schritt zurück und frage mich, wie Bildsprache funktioniert», sagt die promovierte Gestalterin und Koordinatorin des Masters Visuelle Kommunikation und Bildforschung an der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW.

Die Macht der Bilder
Für ihre praxisorientierte Bildforschung fokussiert sich López jedoch auf Diagramme und nicht Plakate. Denn diese seien bereits zu komplex, um die präzisen Ursachen für eine Wirkung bestimmen zu können. Ein spannendes Untersuchungsobjekt stellen zum Beispiel Baumdiagramme dar, egal, ob sie die Geschichte der Sprachen, die Evolution oder einen anderen Prozess visualisieren.

«Bereits kleine Änderungen machen etwas mit dem Betrachter und lösen unterschiedliche Vorstellungen aus», weiss López. In ihren Entwurfsserien erprobt und untersucht sie unterschiedliche Darstellungsmöglichkeiten. «Die Wirkung ist eine komplett andere, wenn dieselben Informationen als Baum oder als Kreis strukturiert werden», sagt die Forscherin und selbständige Gestalterin. Selbst die Art der Linien, ob gerade oder gekrümmt, verändere die Assoziationen des Diagramms.

Unkonventionelles Denken fördern
Baum-, Balken- und Kuchendiagramme sind heute die üblichen Darstellungsmittel. In vielen Fällen sei das sicher auch berechtigt, sagt López. Aber: Sobald sich ein System etabliert hat, sei es starr. «Als Gestalterinnen und Gestalter sollten wir die Konventionen immer wieder hinterfragen», findet López. Das versucht sie auch ihren Studierenden mitzugeben. Denn ein differenzierter und reflektierter Umgang mit Bildern sei wichtig, um verantwortungsvoll zu kommunizieren.


Falls Ihr kürzlich in einem Museum auf einen Knopf gedrückt oder auf einem Touchscreen herumgewischt habt, dann stehen die Chancen gut, dass «undef» dahintersteckt. Denn immer mehr Museen und Ausstellungsbetreiber entdecken den Zweimannbetrieb aus Kleinbasel für sich. Die Nachfrage nach bewegten Bildern und Interfaces wächst in der Branche stetig. Besucherinnen und Besucher sollen nämlich nicht nur einfach passiv durch eine Ausstellung schlendern, sondern diese auch aktiv erleben.

Das Prinzip «Knopf drücken» ist zwar simpel, liegt jedoch den meisten Projekten von undef zugrunde. Die Bandbreite reicht von einem interaktiven Buch, das ein Besucher auf verschiedenen Seiten aufschlagen kann bis zu animierten Zeichnungen. Letztere begeisterte zuletzt Erwachsene und Kinder im Museum der Kulturen Basel. Die Animachina von undef erlaubte es den Besucher mithilfe ihrer eigenen Körperbewegungen eine von ihnen zuvor gezeichnete Figur auf einer Grossleinwand zu animieren. Und zwar in Echtzeit.

Game Design fürs Theater
Die Tools und Techniken, auf die undef zurückgreift, kommen aus dem Game Design. Schliesslich geht es auch in Computerspielen darum, dass eine Spieleraktion eine Reaktion in der virtuellen Welt provoziert. Mittlerweile zählen vor allem Museen zu den Kunden von undef. Daneben realisieren die Gründer und Inhaber Martin Fuchs und Philip Whitfield einmal pro Jahr auch eigene Kunstprojekte. Und immer wieder arbeiten sie mit dem Jungen Theater Basel zusammen. Im März startet das Stück «What we are looking for» jungestheaterbasel.ch, für das undef die Visuals entwickelte.

Die Idee für die Firma hatten Fuchs und Whitfield bereits während des Studiums am Hyperwerk. 2009 gründeten sie dann undef. Dies ist nicht nur ein Begriff aus der Programmiersprache, sondern repräsentiert heute vor allem die Firmenphilosophie. Die enorme Bandbreite der Projekte macht es schwierig, die Firma zu definieren. Doch genau das macht undef auch so vielseitig und spannend.


NEIN zu No-Billag, NEIN zur Unkultur
Die No-Billag-Initiative schadet sowohl Kulturschaffenden als auch Kulturinteressierten. Deshalb sagt der Verband der Kreativwirtschaft Basel (kreaB) NEIN zur Initiative, die das Prinzip der Solidarität unterläuft und damit eine zivilisatorische Errungenschaft aufgeben will, auf der unsere Gesellschaft fusst.

Die SRG leistet wichtige Kulturförderung- und Vermittlung
Eine Zerschlagung der SRG hätte zur Folge, dass ein essentieller Teil der Kulturförderung und der öffentlichen Vermittlung des Schweizer Kulturschaffens entfallen würde.
Zurzeit fliessen rund ein Fünftel der Ausgaben der SRG in die Kulturförderung. Davon profitiert unter anderem die Schweizer Filmszene, die ohne diese finanzielle Unterstützung der SRG nicht überleben würde. Auch ihre Vertreterinnen und Vertreter haben sich klar gegen die No-Billag-Initiative ausgesprochen. Die SRG finanziert jedoch nicht nur Schweizer Kulturproduktionen, sie bietet ihnen auch eine wichtige Plattform. Für die meisten Schweizer Musiker wäre der Wegfall der SRF-Sender eine existentielle Bedrohung. Allein Radio SRF2 Kultur überträgt jährlich über 200 Konzerte. Besonders dramatisch wäre das Wegfallen der SRF-Sender für jene Autorinnen und Autoren, die in Mundart schreiben. Der Markt regelt nicht alles, und schon gar nicht ein so kleiner Markt wie die Schweiz. Wenn die Meistbietenden entscheiden, was gesendet wird – und das sieht der Initiativtext in aller Deutlichkeit vor – wären Kultursendungen, die keinen grossen Marktanteil haben, nicht mehr von ökonomischem Interesse für die Betreiber. Die Folge wäre kultureller Mainstream.

Bei einer Annahme entfällt der Kulturauftrag für Radio und Fernsehen
Wir möchten darauf hinweisen, dass bei einer Annahme der Initiative der Kulturauftrag von Radio und Fernsehen in der Schweiz umgehend aus der Verfassung verschwinden würde. Der folgende Absatz wäre somit mit sofortiger Wirkung hinfällig: „Radio und Fernsehen tragen zur Bildung und kulturellen Entfaltung, zur freien Meinungsbildung und zur Unterhaltung bei. Sie berücksichtigen die Besonderheiten des Landes und die Bedürfnisse der Kantone. Sie stellen die Ereignisse sachgerecht dar und bringen die Vielfalt der Ansichten angemessen zum Ausdruck.“ (Art. 93 BV)
Die Initianten messen der Kultur offenbar keine Bedeutung bei, denn im vorgeschlagenen Ersatzartikel 93 steht nichts Vergleichbares.

Kultur hält die Gesellschaft zusammen
Wer darüber nachdenkt, was eine Gesellschaft im Kern verbindet, kommt um den Begriff der Kultur nicht herum – besonders in einem Land mit verschiedenen Sprachregionen. Der Angriff auf die SRG, die einen Kulturauftrag hat, ist demnach auch ein direkter Angriff auf den Zusammenhalt der Gesellschaft. Wie und in welchem Umfang die SRG ihren Kulturauftrag in Zukunft wahrnehmen soll, muss weiterhin öffentlich diskutiert werden, ebenso wie die Qualität der einzelnen Sendungen. Doch das ist nur möglich, wenn die Stimmbevölkerung die SRG nicht abschafft.
Niemand käme auf die Idee, ein Theater oder ein Museum zu schliessen, nur weil einzelne Inszenierungen oder Ausstellungen nicht gefallen. Wenn ausschliesslich das Prinzip gelten würde „ich zahle nur, was ich nutze“, dann gäbe es keine grösseren kulturellen Institutionen in der Schweiz. Denn sie werden dank der Subventionen aus Steuergeldern solidarisch auch von all jenen mitgetragen, die nicht in die Oper oder ins Konzert gehen. Genau gleich verhält es sich mit dem breiten Kulturauftrag der SRG, der nur mit Gebührengeldern umsetzbar ist.
Wenn wir auf das Prinzip der Solidarität und des Ausgleichs verzichten, dann dürften Gesunde keine Spitäler, Kinderlose keine Schulen und Velofahrer keine Autobahnen mitfinanzieren. Die libertäre Haltung hinter der No-Billag-Initiative läuft der Grundidee von kreaB zuwider – einem Verband von Kreativschaffenden aus so verschiedenen Bereichen wie Architektur, Musik, Darstellende Kunst, Literatur und Text, Film und Fotografie, Szenografie und Innenarchitektur, Kommunikationsdesign und Illustration, Produktdesign und Modedesign, Presse und Rundfunk, Software und Games, Kunsthandwerk und Bildende Kunst, die sich solidarisch zusammengeschlossen haben, um die Kreativwirtschaft insgesamt zu stärken, auch wenn die einzelnen Mitarbeitenden davon nicht unmittelbar profitieren.

Was wäre die Alternative?
Wir sind zutiefst beunruhigt über die Tatsache, dass die Initianten keinerlei Erfahrung im Medien-Bereich haben. Ihre Behauptung, dass die SRG viele Sendungen mithilfe von freiwilligen Beiträgen weiterhin betreiben könnte, ist nicht realistisch - vor allem nicht im Kultur- und Informationsbereich. Uns ist kein Beispiel einer hochwertigen Kultur- oder Informationssendung bekannt, die langfristig ohne Subventionen arbeiten konnte. Dass der digitale Umbruch im Medienbereich dies in naher Zukunft ermöglichen soll, scheint uns nicht plausibel. Die Schweiz mit ihren vier Sprachregionen ist schlicht nicht gross genug, um seriöse Recherche und Information durch das Publikum finanzieren zu können.

Reiche dürfen kein Monopol für Information haben
Es darf nicht sein, dass die Macht über die öffentliche Information bei jenen liegt, die am meisten Vermögen angehäuft haben. Zur Grundlage einer direkten Demokratie gehört, dass sich die Stimmbürgerinnen und -bürger aufgrund von gut recherchierten und ausgewogenen Informationen vor einer Abstimmung selbst eine Meinung bilden können. Wenn die Medien – die vierte Macht im Staat – den Meistbietenden gehört, ist die Demokratie in der Schweiz grundlegend gefährdet. In den vergangenen Jahre hat bereits eine beunruhigende Konzentration in der Schweizer Medienlandschaft stattgefunden. Umso dringender braucht es die SRG als unabhängige Institution, die der Ausgewogenheit verpflichtet ist.
Über den Auftrag und den Umfang des Service public sollen wir alle als Gesellschaft weiterhin diskutieren. Doch eine Reform der SRG ist nicht durch ihre Abschaffung zu erreichen.
Deshalb sagt kreaB NEIN zu No-Billag und damit NEIN zur Unkultur.


Am 12. Februar 2017 stimmte die Stadt Basel über den Umbau der ehemaligen Kaserne in ein Kreativ- und Kulturzentrum ab. Ein lokales Architekturbüro hatte sich in einem international ausgeschriebenen Wettbewerb durchgesetzt und einen zurückhaltenden aber zukunftsweisenden Entwurf erarbeitet. KreaB begrüsste die Umwandlung des in der Stadt zentralen Gebäudes für die Kreativwirtschaft, versandte ein Statement an sämtliche lokale Medien und führte eine Medienveranstaltung durch.

Pressemitteilung


Jana Kalbermatter hat noch während ihres Studiums einen Stick entwickelt, der akustische Inhalte über Knochenschall vermittelt, während die Ohren frei bleiben. Mit ihrem Partner Louis Moser machte sie daraus ein Startup, liess ihre Innovation patentieren – zusammen haben sie den dojo-Stick zur Marktreife gebracht. Er könnte komplizierte Audio-Guides bald aus Museen verdrängen und noch vieles mehr – kreaB traf die eiden zum Gespräch.

Erfinderin oder Künstlerin habe sie werden wollen, erzählte Jana Kalbermatter vor einem Jahr in einem Dok von SRF. Mit dem dojo-Stick hat sie gewissermassen beides geschafft. Der elegante Stab vermittelt über Knochenschall Audio-Inhalte – dabei kommt das gleiche Prinzip zum Tragen wie bei der Stimmgabel. Es sei, als ob man den Gedanken zuhöre, sagt Jana. Der dojo-Stick ist inzwischen patentiert und steht ganz kurz vor seiner Marktreife. Ab Sommer wird er im Museum für Kommunikation in Bern im Einsatz sein. kreaB hat Jana und ihren Lebenspartner Louis Moser, mit dem sie das Startup führt, zum Gespräch getroffen. Im Perron im alten Bahnhof St. Johann herrscht Hochbetrieb an diesem Abend. Der Ort ist nicht zufällig gewählt. Hier ist auch das Stellwerk zuhause, ein Co-Working-Space für Kreativ- und Kulturschaffende, wo auch dojo tech seine Zelte aufgeschlagen hat.


Jana, wann wusstest du, dass aus deinem Diplomprojekt ein Unternehmen wird?

J: Die Ausgangsfrage kam aus der Signaletik, wo Personenführung ja ein grosses Thema ist. Ich suchte nach einer Signaletik, die sich auf eine aktuelle Technologie bezieht und habe dann auf einer Matrix allerlei Szenarien durchgespielt. So entstand der Stick. Zunächst noch mit ganz vielen Funktionen.

L: Da waren Sachen dabei wie ein integriertes Ticketing und vieles mehr. Wir mussten dann intensiv abspecken. Wir hatten uns dazu auch intensiv mit Ausstellungsmachern ausgetauscht, also quasi Marktforschung betrieben. Es war ihr Feedback, das uns weitermachen liess.

J: Wir haben mit ganz vielen Leuten geredet, die mit diesem Produkt in Berührung kommen könnten. Wenn der Grundtenor dann so positiv ist, lohnt es sich einfach weiterzumachen.

L: Ja, das Zuhören war der eigentliche Treibstoff.


Zuhören ist auch der Kern des dojo-Sticks. Der Knochenschall erlaubt es uns, akustische Signale wahrzunehmen, während das Ohr frei bleibt. Jana spricht von einer «durchgängigen Erfahrung». Der Stick ist eine zusätzlich Informationsebene, man hört zu und bleibt gleichzeitig offen, die Umgebung wahrzunehmen.

Darüber hinaus bringt die Technologie auch Möglichkeiten, Menschen mit Hörschädigung zu erreichen. Der Stick soll möglichst inklusiv sein.



Ihr geht mit einer echten Innovation an den Start. Wie hilfreich war das, um Investoren ins Boot zu bekommen?

J: Nur weil das Produkt gut ist, heisst das nicht, dass der Business-Case bei den Investoren ankommt. Und der Business-Case ist entscheidend.

L: Du bist nicht nur ein Produkt, sondern auch eine Firma, und das sind zwei voneinander unabhängige Dinge, die funktionieren müssen.

J: Du bist deine Administration, HR, dein Legal und auch dein eigenes Praktikant.

L: Es geht darum Milestones zu erreichen, damit du Geld auftreiben kannst. Und dann wieder einen Milestone zu erreichen und wieder Geld und so weiter.



Neben einem privaten Investor, der früh aufgesprungen ist, konnte das Unternehmerpaar auch die Basellandschaftliche Kantonalbank für ihren Business-Case begeistern. Sie haben an der Swiss Innovation Challenge teilgenommen und dem Swiss ICT Investor Club (SICTIC), bei ArtTech Programm der EPFL dabei. Netzwerke und Wettbewerbe seien sehr wichtig, sagt Jana. Darum gingen sie auch in die Höhle der Löwen. Und sie griffen auf die Unterstützung der Startup Academy zurück. Das habe ihnen extrem geholfen, die unternehmerische Seite zu verstehen. «Es gibt hier so viele Möglichkeiten», sagt Jana.


J: Kommunikation ist so ein wichtiger Teil des Business.

L: Es geht beim Networking auch darum, Wissen abzuholen. Wir haben inzwischen ein riesiges Netzwerk an sehr erfahrenen Leuten. Es war auch eine tolle Erfahrung zu erleben, wie viele erfahrenen Leute ihre Zeit zur Verfügung stellen.

J: Man lernt jemanden kennen, der gut in etwas ist und dann geht man und denkt drüber nach und setzt etwas um. Zum Beispiel das mit dem Patentieren.


Und warum heisst der Stick eigentlich dojo. Der Begriff komme aus dem Japanischen und heisse «Ort des Weges». Signaletik, Orientierung, das räumliche Erlebnis, der Begriff passte. «Obwohl ich gar nicht vom Kampfsport komme», wie Jana sagt. Der Begriff helfe so auch, das Produkt zu kontextualisieren, sagt Louis. Und wohin geht die Reise?


J: Wir sind jetzt beim Standardprodukt angelangt. Jetzt müssen wir es ausbauen.


Angedacht ist zum Beispiel eine Interaktionstaste. Damit können Benutzer:innen Ausstellungsinhalte bewerten oder sich weiterführende Informationen aufs Handy oder den Computer schicken. Das würde für Ausstellungsmacher eine gänzlich neue Dimension der unmittelbaren Interaktion mit dem Publikum ermöglichen. Aber jetzt sammle man erstmal Feedbacks. Die Anwendungsbereiche ihres dojo-Sticks sind vielfältig. Produkte werden zunehmend in Showrooms präsentiert. Autohersteller wie Tesla präsentieren sich heute in Einkaufsmeilen und wollen ihr Produkt erlebbar machen. Währenddessen sich der Vertrieb zunehmend ins Internet verlagert, kommt bei der Präsentation zunehmend die Ausstellungslogik zum Zug, damit wird auch das Storytelling immer wichtiger. Für dojo tech sind das gute Nachrichten.

SRF DOKU dojo - Storytelling in einem Stab


AI is a system. And systems tend to take on the characteristics and worldview of the people who develop them. So it's very important for people who are emancipation-minded to be engaged in the development of alternative artificial intelligences.
Arthur Jafa

Auch die Kunst kommt um die KI nicht umhin. Unsere Geschäftsführerin Janina Schombach war unlängst an einem Talk am Zurich Art March, wo zusammen mit dem AI Center der ETH Zürich das Zusammenspiel von Kunst und künstlicher Intelligenz beleuchtet wurde. Mit von der Partie war auch Sabine Himmelsbach, die Direktorin des Basler Haus der Elektronischen Künste. Die Frage der KI ist in der Kunst virulent. Was wird KI mit Kunst machen?

Stehen wir an der Schwelle einer ähnlichen Entwicklung, wie im 19. Jahrhundert, als manche in der aufkommenden Fotografie das Ende der Kunst kommen sahen? Es ist ein riesiges Feld, das sich hier für Kunstschaffende öffnet und zum experimentieren einlädt und viele Fragen aufwirft. Welchen Einfluss hat der Datenursprung für die Rückkopplung durch die KI? Was passiert, wenn kreative Prozesse an Maschinen ausgelagert werden? Kann aus Daten Kunst werden? Wer darf die Autorschaft für das Werk beanspruchen? Wie steht es um die Einzigartigkeit und Authentizität eines digitalen Werks? Und was kann der NFT oder eben nicht?

Was ein NFT auf jeden Fall kann, ist helfen. kreaB-Mitglied Daria Pelekhay – die Designerin ist gebürtige Kieverin – hielt die Zerrissenheit ihrer selbst und ihrer Landsleute in einer Illustration fest, als russische Truppen 2014 die Krim und die Ostukraine besetzten.

«Ich habe dieses Bild geschaffen in der Hoffnung, dass wir eines Tages in der Lage sein werden, eine friedliche Zukunft zu gestalten», erklärt Daria. Diese Hoffnung ist noch nicht tot.
Mit den Erlösen aus ihrem Werk, von denen eine limitierte Edition als NFT erworben werden kann, möchte Daria den Kriegsbetroffenen in der Ukraine helfen. Hier kann man sie kaufen.

Für alle, die es mehr interessiert, was es mit KI-generativen NFTs auf sich hat, mag dieser Artikel empfohlen werden: «KI-generative Kunst wird als nächster Trend für den NFT-Sektor prognostiziert», digideutsche, 22. Januar 2022.


Anna, welche Streaming-Dienste abonnierst du aktuell und weshalb?

Ich habe Netflix abonniert. Netflix ist sehr familienkompatibel – es hat sowohl ein breites Angebot für meine Kinder als auch für meinen Mann und mich. Wir konsumieren auf Netflix Serien und Filme jeglichen Genres.

Wir sind hier im Dreiländereck, wo wärst du als Filmschaffende am liebsten daheim, in Deutschland, Frankreich oder in der Schweiz?

Frankreich finde ich ein tolles Filmland. Die Filmkultur ist in Frankreich tief in der Gesellschaft verankert und kulturell mitgewachsen. Ausserdem entspricht mir ihre Liebe zur Poesie und Sprache, die sich in den Filmen spiegelt. Frankreich bittet bereits jetzt schon Netflix & Co viel stärker zur Kasse, indem sie eine Investitionspflicht von 25 Prozent in französische Inhalte zu tätigen haben.

Da ist die Schweiz mit ihrer geforderten Investitionspflicht von vier Prozent doch noch recht bescheiden.

Wie ist es um den Schweizer Film heute bestellt?

Der Schweizer Film ist sehr lebendig, immer wieder erfolgreich und durch seine verschiedenen Landessprachen auch sehr vielfältig in seiner Machart. Ich sehe viel Experimentierfreude vor allem bei den jungen Filmschaffenden und den Willen, herkömmliche Genres und Formate zu verlassen um sich neu zu erfinden. Diesen teilweise grossartigen Filmen sollte man auch auf Streamingplattformen die entsprechende Chance geben, international ihr Publikum zu finden. Insgesamt wünsche ich mir für den kommerziellen Schweizer Film noch mehr Mut und Vertrauen in ein Publikum, das nicht alles erklärt haben muss.

Warum soll das Stimmvolk am 15. Mai zum Filmgesetz ja sagen?

Unsere Gesellschaft in der Schweiz kann von einem gestärkten Schweizer Film nur profitieren.

Filme stiften Identitäten, erzählen Geschichten und prägen bestenfalls ganze Generationen. Es wird sich vermehrt die Möglichkeit ergeben, dass unsere Geschichten in die Welt hinaus getragen und wir international stärker wahrgenommen werden.

Ausserdem hat sich die Welt in den letzten Jahren massiv verändert und die Bedeutung von Streamingdiensten für die Sehgewohnheiten ist steil gestiegen.

Es ist ein Problem für unsere Wirtschaft, wenn die Streaminganbieter zwar Geld in der Schweiz verdienen, aber keine Investition leisten müssen.

Es ist ein für mich logischer Schritt, dass wir mit den uns benachbarten Ländern mitziehen müssen, damit wir mit der sich wandelnden Welt Schritt halten können.

Das Filmgesetz verlangt, dass vier Prozent der Einnahmen der ausländischen Streamingdienste in der Schweiz reinvestiert werden. Das wären aktuell rund 18 Millionen Franken. Wie wichtig wäre dieser finanzielle Impuls für den Schweizer Film?

Es ist ein sehr wichtiger Impuls für ein vielfältiges Filmschaffen in der Schweiz. Die bisherigen Förderungsstellen können nur wenige grosse Filmprojekte alleine stemmen und oft erhalten immer dieselben Akteure den Batzen. Es ist auch ein Impuls für Innovationen und neue Formate, die mit der bisherigen eingeengten Förderungssituation nur bedingt möglich ist.

Ich bin mir sicher, dass eine Investition sich auch auf das hiesige Filmschaffen auswirken wird und die Filmschaffenden sich trauen, auch grösser und weltformatiger zu produzieren – im Hinblick darauf, dass man beispielsweise eine Serie für Netflix produzieren könnte. Mehr Fördergelder bieten auch mehr Platz für Vielfalt – und ein vielfältiges Angebot wünschen wir uns doch alle.

In einem Kommentar von Simone Meier auf Watson war zu lesen, dass der Netflix-Batzen eine Erwartungshaltung erzeugen würde und die hiesige Branche dann in der Bringschuld stünde, Produktionen von internationalem Format zu liefern. Wie siehst du das?

Es ist gut möglich, dass es einen gewissen Druck erzeugen wird, Produktionen von internationalem Format liefern zu müssen. Ich empfinde das aber als ein guter Druck, der uns zu Grösserem beflügelt und neue Denkweisen fördert. Genau das was es braucht, damit wir den Anschluss an die sich rasant verändernden Sehgewohnheiten nicht verpassen. Manchmal ist es wichtig, seine Komfortzone zu verlassen.

Das würde auch bedeuten, dass sich das Schweizer Filmschaffen stark an den internationalen Sehgewohnheiten orientieren muss, was hätte das für deine Arbeit für Implikationen?

Natürlich würde auch ich meine Komfortzone verlassen und mich an andere Formate wagen wollen. Ich sehe gerade beim Dokumentarfilm dafür ein Gefäss, welches es zu nutzen gilt.

Gerade der Schweizer Dokumentarfilm geniesst nämlich einen hervorragenden internationalen Ruf.

Deine bisherigen Filme hätten es im Streamingmarkt vermutlich schwer gehabt. Würdest du deine Arbeit den Bedürfnissen dieses Marktes anpassen wollen oder sagst, die Streaming-Millionen sollen andere bekommen, dafür bleibt in anderen Fördertöpfen mehr für meine Arbeit übrig?

Das kann ich so zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht so richtig abschätzen. Das hängt stark von den Möglichkeiten ab, welche sich mir bieten würden, in welche Themengebiete ich mich in Zukunft reinwage und welche Kriterien sich daraus ergeben. Wenn ich etwas von mir weiss ist, dass ich nicht gerne beim Selben bleibe und das reproduziere, was ich schon gemacht habe. Mehr Optionen bieten auch mehr Möglichkeiten etwas auszuprobieren.

Foto©Andreas Rentz/Getty Images for ZFF