12.06.2018

Scrollst du noch oder schaust du schon?

Wir sind alle Fotografen. Wer ein Smartphone besitzt (und das sind derzeit mehr als 90 Prozent der Schweizer Bevölkerung), macht Fotos. Und zwar keine, die in einem Album im Regal verstauben, sondern solche, die hunderte unserer Freunde oder Follower in den Sozialen Medien sehen und mitunter tausende ihrer Freunde. Manch ein sogenannter Influencer finanziert sich gar seine Weltreise mit dem Fotoportal Instagram. Doch wie erkennt man den Profi-Fotografen unter den Amateuren? Und was tun die Profis dafür, nicht in der Bilderflut unterzugehen?

Als der Fotograf Dirk Wetzel 2003 auf eine Weltreise aufbrach, gab es weder Instagram noch Influencer. Wetzel hatte sich gerade von seiner ersten Karriere als Schlagzeuger losgesagt und zog mit einer analogen Kamera und Fotofilmen los. «Die Kamera sass wie ein Instrument in meiner Hand», beschreibt es Wetzel. Es dauerte noch ein paar Jahre bis er schliesslich umsattelte. Seit 2010 arbeitet der Lörracher als selbständiger Fotograf in Basel und anderen Ecken der Welt. Lieb ist ihm die Abwechslung seines Berufs: zu seinen Kompetenzbereichen gehören Firmenportraits, Geschäftsberichte, Reportage- oder Architekturfotografie. Am meisten schlägt sein Herz jedoch für das Portrait. Wiederholt ausgestellt wurde etwa seine Serie «about winning and losing», die Kämpfer der Mixed Martials Arts vor und nach ihren «fights» dokumentierte.

«Den richtigen Moment erwischt du nur, indem du dran bleibst», beschreibt Wetzel seine Arbeit – und genau daran erkenne man auch den Profi unter den Amateuren. «Ein Amateur macht Schnapsschüsse, ein Profi erarbeitet sich ein Bild.» Wetzel nennt das «ausfotografieren»: eine Situation aus allen möglichen Perspektiven und Stimmungen aufnehmen, bis das eine richtige Bild unter den neuzig falschen gefunden ist.

Betrachter sind nicht mehr beeindruckt
Zwar hat Wetzel seit seiner Weltreise nie mehr analog fotografiert, aber man findet auch keine Handybilder von ihm im Netz (schon gar keine Selfies!). Seinen Instagram-Account füttert er lediglich mit ausgesuchten Arbeiten, die er jeweils als dreiteilige Serie präsentiert. «Zu meinem Job gehört es auch, auf mindestens drei Internet-Plattformen präsent und up-to-date zu sein», ist er überzeugt. Besonders Instagram biete ihm viel Inspiration und Vernetzung, gleichzeitig sei es schwieriger geworden, herauszustechen. Die Betrachter seien durch die Bilderflut zunehmend abgestumpft und weniger beeindruckt von guten Bildern. Deshalb besucht Wetzel auch gerne Ausstellungen oder stellt selber aus. «Da ist eine gewissen Magie vorhanden, wenn du ein Bild in gross und echt siehst, das du nicht einfach wegscrollen kannst.»

Dirk Wetzel auf Facebook und Instagram folgen: livingpool.inc