23.08.2021

«Ich sehe mich in erster Linie als Künstlerin und Entschlüsslerin von versteckten Botschaften»

Hallo Conny, woran arbeitet ihr gerade im Atelier Domino?
Wir sind heute eigentlich mehr Marzel und Conny. Frau Fasnacht schläft noch und somit auch unser Fasnachtsbetrieb. Das Atelier ist mehr eine Bühne meine Tätigkeiten mit der Praxis Raum Werk. Es ist ein Raum, um Innenräume zu zeigen und sich neu auszurichten. Bei der Praxis geht es um Themen wie Coaching und Persönlichkeitsentwicklung.

Gibt es da eine Brücke zu deinem Handwerk als Maskenbildnerin?
Ja, es ist viel Werkstattarbeit. Die Arbeit an Selbstreflexion und Entwicklung hin zum neuen Gesicht ist ein Werken. Ich sehe mich in erster Linie immer noch als Künstlerin und Entschlüsslerin von versteckten Botschaften, Rollen und Gesichtern. Also dessen, was sich hinter der Maske verbirgt. Bei der Bei der Arbeit in der Praxis geht es auch um die Fragen wie siehst du dich? Wie willst du gesehen werden? Wie nehmen dich die anderen wahr? Konflikte, Strategien, Sorgen, Fragen verzerren die Wahrnehmung von Körper, Emotionen, Denken und letztlich dem Handeln. Aber um hier nicht den Eindruck zu geben, dass meine Arbeit in Praxis Raum Werk eine Atelier- und Werkstattarbeit mit Maskenbau und Spiel ist, möchte ich betonen dass ich mit meiner Ausbildung ein weites Feld der Gesprächs- und Körperarbeit anwende.

Dein Atelier besteht seit 36 Jahren, wie hat dich deine Berufung als Maskenbildnerin gefunden?
Wir haben uns gefunden. Ich wollte schon immer Maskenbildnerin werden, mich zog es in diese Welt des Theaters, der Rollenspiele, der temporären Identitäten. Das Auftragen oder verändern eines Gesichts, eines Auftragsgesichts, das faszinierte mich. Die Mimik-Studien interessierten mich sehr, wie sich Oberflächenveränderung langsam in den Körper des Trägers synchronisiert und umgekehrt, aber noch nicht vom tiefenpsychologischen Gesichtspunkt her, das kam erst später. In der Ausbildung wartete ich dann auf ein Praktikum und schnupperte währenddessen mal in einem Larvenatelier und nach einer Saison habe ich es direkt übernommen. Bis heute sind hier sicher 35’000 Masken entstanden. Ich habe an dieser Stelle Glück gehabt und auf diesem künstlerisch, therapeutisch, praktischen Weg etwas sehr eigenwilliges erfahren und entwickeln zu können und dürfen.

Die Frage ist nicht sehr originell, drängt sich aber schon fast auf: Masken sind seit der Pandemie allgegenwärtig. Was macht das mit deiner Wahrnehmung?
Zunächst fehlt die Mund-Nasen-Partie, die ich nicht mehr sehen kann und es macht es schwieriger, Mimik wie ein Lächeln zu deuten. Es anonymisiert und versteckt Emotionen, es erleichtert ein Gesicht zu zeigen, das man nicht zeigen möchte. Letztlich behindert es aber die offene Kommunikation. Psychologisch kann es aber auch ein Schutz sein für gewisse Menschen. Ich finde das manchmal gar nicht so unangenehm.

Zunächst fehlt die Mund-Nasen-Partie, die ich nicht mehr sehen kann und es macht es schwieriger, Mimik wie ein Lächeln zu deuten. Es anonymisiert und versteckt Emotionen, es erleichtert ein Gesicht zu zeigen, das man nicht zeigen möchte.

Die Corona-Krise hat euer Atelier vermutlich hart getroffen, wie hast du die vergangenen 18 Monate erlebt?
Es war wie eine Vollbremse, als wir im Vollschuss waren. Wir hatten die Aufträge für die Fasnacht 2020 schon abgeschlossen und es war für uns wie immer: müde, selig, das Ziel erreicht zu haben und die Vorfreude der Kunden zu geniessen. Also uns auf die Lorbeeren zu freuen. Zuletzt bleiben die Majoren zurück, die letzten Streiche am Kopf, das Lampenfieber steigt! Dann Stopp! Unglaublich eine Absage der Fasnacht! Irritation, Entsetzen, Tränen, Trauer, die letzten Arbeiten werden mit gemischten Gefühlen und Unglauben abgeholt. Das war‘s dann vorerst mal bis auf Weiteres. Wir haben uns dann mit anderen Larvenmachern zusammengeschlossen, woraus die Solidaritäts-Blaggedde entstanden ist. Es gab auch Vorstösse im Grossen Rat, um uns als lokal relevantes Gewerbe zu helfen, und Ende Februar war es endlich soweit. Der Kanton teilte uns der Gastronomie zu. Darum gibt es uns noch. Aber der Weg dorthin war happig und richtig ätzend.

Hat das auch deinen Fokus verändert?
Ja, wir begreifen es jetzt auch als Chance, bis Frau Fasnacht ausgeschlafen hat, die Zeit zu nutzen anderen Gesichtern und Herzensanliegen in unseren Atelierräumen Platz zu geben und unsere Balance neu finden. Es ist auch noch einiges an Improvisation dabei im Moment.