20.12.2018
«Kunst ist immer auch beseelt»
Interview mit Ricarda Gerosa und Nadja Müller von RestKunst Basel
Liebe Ricarda, liebe Nadja, ihr habt den Verein RestKunst Basel gegründet mit dem Ziel, das Thema Künstlernachlässe in die Öffentlichkeit zu holen. Warum ist das notwendig?
Ricarda: Es gibt immer mehr Kunstschaffende, die Branche boomt, nicht nur in Basel. Der Kunstmarkt und die Museen sind immer globaler ausgerichtet. Mehr als früher drängt sich da die Frage auf: Wohin mit den hinterlassenen Werken regionaler Künstler? Rechtlich sind die Erben für den Nachlass verantwortlich, viele sind damit aber überfordert.
Nadja: Auch wollen viele KünstlerInnen ihr Erbe nicht den Nachkommen aufbürden und noch zu Lebzeiten selber eine Lösung suchen.
Aber die gibt es nicht?
Ricarda: Seit zwei Jahren gibt es die Schweizerische Beratungsstelle für Künstlernachlässe des SIK-ISEA , die auch einen Ratgeber zum Thema herausgegeben hat. Dann stehen die Erben aber immer noch vor der Frage, wohin mit der Kunst. Wir wollen deshalb ein Basler Kunstlagerhaus gründen, in dem ausgewählte Werke eine Bleibe finden und öffentlich zugänglich sind. Regionale Kunst ist auch eine Form von Kulturerbe.
Birgt so ein fixer Ort nicht die Gefahr eines Künstlergrabes?
Nadja: In unserer Vision ist das ein lebendiger Ort mit wechselnden Ausstellungen und im Dialog mit zeitgenössischer Kunst. Auktionen sind eine Idee oder eine Artothek, bei der man Kunst ausleihen kann. So bleibt sie weiterhin sichtbar, was sich sowohl Kunstschaffende wie Erben wünschen. Es gibt ähnliche Projekte in Bern oder Pully. Dass wir ausgerechnet in der Schweizer Kunsthauptstadt kein Angebot haben, ist eine Lücke, die wir schliessen wollen.
Bei einem Kick-off-Event Anfang November im Projektraum M54 habt ihr die Werke des 89-jährigen Künstlers René Schlittler zuerst ausgestellt, dann versteigert. Was übrig blieb, sollte anschliessend vernichtet werden. Wie lief das ab?
Ricarda: Vor unserem Event interessierte sich niemand für René Schlittlers Werk. Da der Künstler sein Atelier räumen musste, hat er uns den ganzen Vorlass für unsere Sensibilisierungsaktion zur Verfügung gestellt. Es war eindrücklich, sein ganzes Lebenswerk zeigen zu können und die Versteigerung lief gut. Nachdem eine Besucherin heftig gegen die bevorstehende Verabschiedung und Zerstörung der übrigen Werke intervenierte, hat sich eine Stieftochter des Künstler unerwartet bereit erklärt, die verbleibenden Werke zu übernehmen. Die grossformatigen Objekte sind schliesslich dennoch in der Mulde gelandet, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, wie das ja meistens der Fall ist.
Nadja: Das war ein interessanter Prozess, denn wir haben gleich zwei Tabus berührt: Die Zerstörung von Kunst und den Tod. Die heftige Reaktion der Frau war verständlich. Persönlich fand ich es aber schade, dass die Aktion abgebrochen wurde. Unsere Absicht ist, den Umgang mit Kunstnachlässen an die Öffentlichkeit zu bringen und zu zeigen, was im Verborgenen schon die ganze Zeit geschieht – nämlich die Vernichtung von Kunst. Am Kick-off-Event wollten wir gemeinsam davon Abschied nehmen.
Nadja, du arbeitest auch als Pfarrerin im Kleinbasel und kennst dich mit dem Thema Vergänglichkeit aus. Wie wichtig ist die rituelle Verabschiedung von Kunst?
Nadja: Sie hilft, besser loszulassen. Von einem Teil der Kunst muss man sich zwangsläufig verabschieden, da nicht alles aufbewahrt werden kann. Und Kunst ist halt immer auch beseelt.
Der Verein RestKunst Basel ist derzeit im Aufbau eines Projektteams und auf der Suche nach einer geeigneten Räumlichkeit für das Kunstlagerhaus. Interessierte können über die Website (https://www.restkunst-basel.ch) Kontakt mit den Initiantinnen aufnehmen.