28.04.2021

Den Klimawandel erfahrbar machen

*kreaB: *KlimaKontor will mit Kunst und Kultur Antworten auf die Klimakrise entwickeln. Wie soll das gehen?
Barbara Ellenberger:** Fakt ist: So wie wir jetzt leben, können wir nicht weitermachen. Das ist irgendwie auch eine bedrohliche Gewissheit. Um der Klimakrise zu begegnen, müssen wir alle Lebensbereiche transformieren. Dabei fehlt es uns nicht an Wissen, sondern an Erfahrung. Da können Kunst und Kultur helfen.

Wie das?
Ihre Aufgabe ist es, über gegebene Kontexte hinauszudenken und in bisher noch unbekannte Terrains vorzudringen. So können sie uns Erfahrungsräume bieten und neue Visionen aufzeigen. Ausserdem haben sie die wunderbare Fähigkeit, uns Mut und Lust auf das Neue zu verschaffen, uns zu inspirieren.

Als erste Aktion vom KlimaKontor haben sich zwei Künstler:innen mit Tauben für zehn Tage in der alten Billettkasse des Theater Basel eingenistet. Was konnte dieses Projekt bewirken?
Die Taubenaktion ist ein gutes Beispiel für einen Erfahrungsraum. Die Besucher:innen konnten vor Ort den Tauben, also einem anderen Wesen, auf Augenhöhe begegnen und hatten die Gelegenheit, diese unerwartet anders zu erleben, sich mit ihnen von Subjekt zu Subjekt zu verbinden. Das ist sehr ungewöhnlich, nehmen wir doch normalerweise unsere Umwelt eher als Dekoration oder Staffage wahr.

Sehen Sie Kunst und Kultur auch in der Verantwortung, sich dem Thema Klimawandel anzunehmen?
Unbedingt! Einerseits hat unsere westliche Gesellschaft ja einen riesigen CO2-Ausstoss verursacht, um auf das aktuelle Wohlstandsniveau zu kommen. Andererseits sind wir bisher fast komplett abgetrennt von den Auswirkungen des Klimawandels. Das Bewusstsein für die Konsequenzen unseres Handelns zu schärfen, ist meiner Meinung nach auch Aufgabe von Kunst und Kultur.

«Auch das Theater ist eingebunden in das Konkurrenzsystem unserer kapitalistischen Gesellschaft»

Sie kommen vom Theater, waren viele Jahre Theaterdirektorin. Was hat sie persönlich motiviert, das Projekt KlimaKontor zu gründen?
Da war dieses Erlebnis, als ich an einem Sommerabend mit offenem Fenster an meinem Schreibtisch sass und keine einzige Mücke vom Licht angezogen wurde. Schockartig ging mir der enorme Schwund der Insekten- und Vogelvielfalt unter die Haut . Also habe ich angefangen, mich mit anderen Kulturschaffenden, vor allem auch mit Luzia Schelling, der Ko-Initiatorin des KlimaKontors, zum Thema Klimawandel auszutauschen und zu vernetzen und so entstand die Idee, eine übergreifende Plattform zu gründen.

Hatten Sie keine Lust mehr auf das klassische Theater?
Ich hatte das Bedürfnis nach Veränderung. Auch das Theater ist ja eingebunden in das Konkurrenzsystem unserer kapitalistischen Gesellschaft. Jede Künstlerin, jeder Künstler und auch Institutionen müssen ständig die eigene Karriere oder Positionierung im Auge behalten, sich profilieren und die angesagten Diskurse bewirtschaften. Vielleicht kann da eine Plattform, die sich einem einzigen Thema widmet und ein klares gesellschaftspolitisches Ziel verfolgt, einen kleinen Freiraum schaffen? Denn eigentlich sind Theaterprojekte ja immer das Ergebnis eines kollektiven Prozesses. Und erst in den Köpfen – und hier hoffentlich auch in konkreten Handlungen – des Publikums finden sie satt. Auch im Bereich der Produktion setzt das KlimaKontor ganz aufs Kooperieren und Teilen von Ressourcen. Es verbindet Basler Kulturschaffende, Aktivist:innen, Wissenschaftler:innen und Zivilgesellschaft und schafft Synergien.

Foto: Ingo Hoehn