05.05.2022

Grösser und weltformativer zu produzieren

Anna, welche Streaming-Dienste abonnierst du aktuell und weshalb?

Ich habe Netflix abonniert. Netflix ist sehr familienkompatibel – es hat sowohl ein breites Angebot für meine Kinder als auch für meinen Mann und mich. Wir konsumieren auf Netflix Serien und Filme jeglichen Genres.

Wir sind hier im Dreiländereck, wo wärst du als Filmschaffende am liebsten daheim, in Deutschland, Frankreich oder in der Schweiz?

Frankreich finde ich ein tolles Filmland. Die Filmkultur ist in Frankreich tief in der Gesellschaft verankert und kulturell mitgewachsen. Ausserdem entspricht mir ihre Liebe zur Poesie und Sprache, die sich in den Filmen spiegelt. Frankreich bittet bereits jetzt schon Netflix & Co viel stärker zur Kasse, indem sie eine Investitionspflicht von 25 Prozent in französische Inhalte zu tätigen haben.

Da ist die Schweiz mit ihrer geforderten Investitionspflicht von vier Prozent doch noch recht bescheiden.

Wie ist es um den Schweizer Film heute bestellt?

Der Schweizer Film ist sehr lebendig, immer wieder erfolgreich und durch seine verschiedenen Landessprachen auch sehr vielfältig in seiner Machart. Ich sehe viel Experimentierfreude vor allem bei den jungen Filmschaffenden und den Willen, herkömmliche Genres und Formate zu verlassen um sich neu zu erfinden. Diesen teilweise grossartigen Filmen sollte man auch auf Streamingplattformen die entsprechende Chance geben, international ihr Publikum zu finden. Insgesamt wünsche ich mir für den kommerziellen Schweizer Film noch mehr Mut und Vertrauen in ein Publikum, das nicht alles erklärt haben muss.

Warum soll das Stimmvolk am 15. Mai zum Filmgesetz ja sagen?

Unsere Gesellschaft in der Schweiz kann von einem gestärkten Schweizer Film nur profitieren.

Filme stiften Identitäten, erzählen Geschichten und prägen bestenfalls ganze Generationen. Es wird sich vermehrt die Möglichkeit ergeben, dass unsere Geschichten in die Welt hinaus getragen und wir international stärker wahrgenommen werden.

Ausserdem hat sich die Welt in den letzten Jahren massiv verändert und die Bedeutung von Streamingdiensten für die Sehgewohnheiten ist steil gestiegen.

Es ist ein Problem für unsere Wirtschaft, wenn die Streaminganbieter zwar Geld in der Schweiz verdienen, aber keine Investition leisten müssen.

Es ist ein für mich logischer Schritt, dass wir mit den uns benachbarten Ländern mitziehen müssen, damit wir mit der sich wandelnden Welt Schritt halten können.

Das Filmgesetz verlangt, dass vier Prozent der Einnahmen der ausländischen Streamingdienste in der Schweiz reinvestiert werden. Das wären aktuell rund 18 Millionen Franken. Wie wichtig wäre dieser finanzielle Impuls für den Schweizer Film?

Es ist ein sehr wichtiger Impuls für ein vielfältiges Filmschaffen in der Schweiz. Die bisherigen Förderungsstellen können nur wenige grosse Filmprojekte alleine stemmen und oft erhalten immer dieselben Akteure den Batzen. Es ist auch ein Impuls für Innovationen und neue Formate, die mit der bisherigen eingeengten Förderungssituation nur bedingt möglich ist.

Ich bin mir sicher, dass eine Investition sich auch auf das hiesige Filmschaffen auswirken wird und die Filmschaffenden sich trauen, auch grösser und weltformatiger zu produzieren – im Hinblick darauf, dass man beispielsweise eine Serie für Netflix produzieren könnte. Mehr Fördergelder bieten auch mehr Platz für Vielfalt – und ein vielfältiges Angebot wünschen wir uns doch alle.

In einem Kommentar von Simone Meier auf Watson war zu lesen, dass der Netflix-Batzen eine Erwartungshaltung erzeugen würde und die hiesige Branche dann in der Bringschuld stünde, Produktionen von internationalem Format zu liefern. Wie siehst du das?

Es ist gut möglich, dass es einen gewissen Druck erzeugen wird, Produktionen von internationalem Format liefern zu müssen. Ich empfinde das aber als ein guter Druck, der uns zu Grösserem beflügelt und neue Denkweisen fördert. Genau das was es braucht, damit wir den Anschluss an die sich rasant verändernden Sehgewohnheiten nicht verpassen. Manchmal ist es wichtig, seine Komfortzone zu verlassen.

Das würde auch bedeuten, dass sich das Schweizer Filmschaffen stark an den internationalen Sehgewohnheiten orientieren muss, was hätte das für deine Arbeit für Implikationen?

Natürlich würde auch ich meine Komfortzone verlassen und mich an andere Formate wagen wollen. Ich sehe gerade beim Dokumentarfilm dafür ein Gefäss, welches es zu nutzen gilt.

Gerade der Schweizer Dokumentarfilm geniesst nämlich einen hervorragenden internationalen Ruf.

Deine bisherigen Filme hätten es im Streamingmarkt vermutlich schwer gehabt. Würdest du deine Arbeit den Bedürfnissen dieses Marktes anpassen wollen oder sagst, die Streaming-Millionen sollen andere bekommen, dafür bleibt in anderen Fördertöpfen mehr für meine Arbeit übrig?

Das kann ich so zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht so richtig abschätzen. Das hängt stark von den Möglichkeiten ab, welche sich mir bieten würden, in welche Themengebiete ich mich in Zukunft reinwage und welche Kriterien sich daraus ergeben. Wenn ich etwas von mir weiss ist, dass ich nicht gerne beim Selben bleibe und das reproduziere, was ich schon gemacht habe. Mehr Optionen bieten auch mehr Möglichkeiten etwas auszuprobieren.

Foto©Andreas Rentz/Getty Images for ZFF