20.01.2022

Gedanken einer Wanderkaravane

Hallo Brigitte und William, woran arbeitet Ihr gerade jeder einzeln oder auch zusammen? Aktuell arbeitet Brigitte an einem transmedialen Kurzfilm Projekt, bei dem es um das Thema Angst und das Flüchten in virtuelle Welten geht. Im Mittelpunkt der Geschichte steht ein Tänzer.

William wurde von der Schweizer Botschaft in den USA dazu eingeladen, sich in einem 30-minütigen Video anlässlich des Black History Month vorzustellen. Aktuell arbeitet er an dieser Präsentation.

Was macht eine Live Performance im Tanz aus? Und wo seht Ihr die Kraft des Transfers einer Live Performance im Tanz in eine Video Produktion? Eine Live Performance besitzt die Magie des Augenblicks. Nichts kann wiederholt werden oder im Nachhinein noch verändert werden, es findet im Jetzt statt. Alles kann passieren und es fordert von den Tänzer:innen ein höchstes Mass an Konzentration.

Beim Film hat man eine grosse räumliche Freiheit und die filmischen Mittel sind bei der Inszenierung schier unbegrenzt. Die Emotionen, welche über Mimik und kleinere Bewegungen transportiert werden, können stärker hervorgehoben werden und mit Sounddesign und Schnitt, sowie mit dem Licht deutlicher unterstrichen werden. Bei unserer Tanzvideo-Reihe cubique presents haben wir die Inszenierungen jedoch grösstenteils bewusst sehr reduziert gehalten, um den Performances so viel Platz wie möglich freizuhalten.

Wie hat Corona Eure Arbeitsweise verändert? Zwangsläufig wurden wir beide viel flexibler. Im Frühjahr 2020, eine Woche vor den geplanten Shooting Tagen auf die wir intensiv hingearbeitet hatten und an dem drei Performances gefilmt werden sollten, wurden die ersten Restriktionen und Vorgaben seitens Bundesrat eingeführt und wir konnten die Shootings nicht durchführen. Nach der ersten Enttäuschung und dem anfänglichen Frust haben wir nach Möglichkeiten und Ideen gesucht, welche trotz Restriktionen realisierbar waren.

Daraus ist ein Tanzvideo zum Thema Isolation mit drei Tänzer:innen, die in drei verschiedenen Ländern im Lockdown waren, entstanden, das an verschiedenen Festivals nominiert und sogar prämiert wurde. Das war für uns eine gute Lehrstunde in punkto Flexibilität und Wandlungsfähigkeit. Durch die Pandemie-bedingten Verschiebungen und Absagen sind wir gelassener geworden und fokussieren uns dann auf jene Sachen, welche sonst zu wenig Platz haben, wodurch, wie wir gelernt haben, auch Neues entstehen kann.

Nun seid Ihr privat ein Paar – wie beeinflusst das Eure Zusammenarbeit? Vieles geht einfacher, da wir nicht von Grund auf eine Vertrauensbasis schaffen müssen. Wir kennen uns ziemlich gut und kennen die Stärken und Schwächen der jeweiligen Person. Das kann aber auch die Arbeit schwieriger machen. Die Trennung zwischen Arbeit und Familie und Beziehung ist extrem schwierig und man muss ein Bewusstsein für gemeinsame Zeit entwickeln, bei der man eben nicht über die Arbeit spricht. Die Zusammenarbeit funktioniert gut, weil wir beide einen unterschiedlichen Background und verschiedene Fähigkeiten haben und so die Schwächen des Anderen abfangen und uns gegenseitig stärken können.

Wenn Ihr einen unkuratierten Raum zur Verfügung hättet, wohin würden Eure Ambitionen gehen?

Uns beiden ist es ein grosses Anliegen, mit unseren Arbeiten ein möglichst breites und vielfältiges Publikum anzusprechen und Kunst und Kultur im Allgemeinen für ein möglichst diverses Publikum zugänglich zu machen.

Von daher würden wir mit cubique auf einen fixen Raum verzichten und würden viel mehr den Kubus, der in gewisser Massen auch ein Raum ist, nach Aussen tragen und ihn öffnen. Er ist ein fiktiver Raum, in dem wir Tänzer:innnen kuratieren und Menschen aus verschiedenen Sparten zusammenbringen. Ob die Endform Live oder Video ist, spielt keine Rolle. Uns beide verbindet, dass wir neugierig sind und es uns interessiert, was geschieht, wenn Personen mit verschiedenen Hintergründen und aus verschiedenen Bereichen zusammenkommen.

Wir lieben es herauszufinden, was dort entsteht, wo unterschiedliche Perspektiven und Fähigkeiten aufeinanderttreffen, sich austauschen und gemeinsam etwas Neues erschaffen. Wir finden daher den Gedanken einer Wanderkaravane, die nicht an einem spezifischen Ort gebunden ist und die zum Publikum hingeht, sehr spannend.

Spinnt man die Idee weiter, könnte man sich vorstellen, dass in verschiedenen Ecken der Welt ein Kubus auf die Reise geschickt werden könnte – mit spezifischen Rahmenbedingungen, wie dieser bespielt werden kann, damit andere Menschen diesen Kubus kuratieren und inszenieren und ihre Ergebnisse mit der Welt teilen würden. Wir würden nicht mehr die antreibende Kraft sein, sondern nur im Hintergrund stehen. Dieser Raum könnte durch anderen Kunstformen wie zum Beispiel Musik oder Theater noch mehr ausgereizt werden.

Hier geht es zu einigen Videoproduktionen der beiden:

Alone Together / Isolation

Dakota & Nadia, Druck in Love / Häusliche Gewalt