07.02.2021

Fünf Kreativschaffende aus Basel über ihren Umgang mit der Pandemie im Home-Office

Als Konzerte dann abgesagt wurden, gab es zwar Video-Aufnahmen, doch zufriedenstellend waren diese nicht. Denn dabei sitze jeder zuhause an seinem miserablen Computermikrofon und singe eine Stimme. Im Anschluss werden die Audiospuren übereinandergelegt. Eines ihrer Ensembles hat das Format dennoch geändert. Statt der geplanten Konzerte gibt es jetzt Podcasts oder CDs. mirjam-striegel.de

In der Berufswelt von Alba Carbonell Castillo (Tänzerin und Choreographin) ist Home-Office auch kein Begriff. «Wir machen etwas, um es auf die Bühne zu bringen.» Die Zuschauer sollen ihr Leben für einen Moment vergessen und geniessen, was sie sehen. Ausserdem sei die Bewegung und das Gefühl des Publikums für die Künstler wichtig. «Du gibst mehr, wenn du die Leute spürst». An einem digitalen Format ist sie nicht interessiert. Für sie liegt die Magie in dem Moment, der einzigartig ist. Sie arbeitet mit Emotionen, die im Raum und auf der Bühne entstehen.

Im letzten Jahr hat sich für Alba viel verändert. Zwar hatte das mit der Pandemie eigentlich nichts zu tun, doch durch die abgesagten Shows fand sie die Zeit, um nachzudenken und sich auf das Kreieren zu konzentrieren. Und so beschloss die gebürtige Spanierin als Tänzerin am Theater Basel aufzuhören und freiberuflich als Choreografin tätig zu werden. Den Schüler*innen des Theaters bleibt sie jedoch als Lehrerin erhalten. Als Tänzerin tritt sie zukünftig in ihrer selbstgegründeten Kompanie «Snorkel Rabbit» auf. Weiter erzählt sie, dass sie im letzten Jahr viel unterwegs war. Für ein Projekt am Bolshoi Ballett Theater flog sie nach Moskau, für eines am Scapino Ballett reiste sie nach Rotterdam, und es folgten Aufträge für das Ballet du Rhin in Mulhouse sowie für die ZHdK. Möglich gewesen sei das viele Reisen, und auch das Proben, durch ständige Covid-Tests. Demnach hatte Alba das Glück, im Jahr 2020 einige Werke ins Leben zu rufen. Das Traurige ist, dass nur ein Bruchteil davon aufgeführt wurde. «Für die Tänzer ist das hart. Wofür arbeiten sie? Um auf die Bühne zu gehen, ohne dass es jemand sieht? Nein! Dennoch trainieren sie, bleiben in Form und arbeiten weiter, ohne Ziel.» Wichtig sei, in dieser Zeit der Ungewissheit positiv und kreativ zu bleiben und das Gehirn in Aktion halten.

Mirjam schaut weniger hoffnungsvoll auf das kommende Jahr. «Wenn die Krise zu viel gekostet hat, dann ist die Kultur das erste, woran gespart wird.» Schliesslich sei in vielen Köpfen verankert, dass Kultur ein Luxusgut ist. Zurzeit schätzt die Sängerin jedoch die Ruhe und die Möglichkeit, einmal aus dem Hamsterrad rauszukommen. Für die Zukunft wünscht sie sich ein Umdenken, gerade in Bezug auf Konsum, und eine solidarische Gesellschaft, in der nicht jeder sein eigenes Ding macht, sondern auch etwas für andere tut, sowie für die Umwelt. alba-castillo.com

Für die Zukunft wünscht sie sich ein Umdenken, gerade in Bezug auf Konsum, und eine solidarische Gesellschaft, in der nicht jeder sein eigenes Ding macht, sondern auch etwas für andere tut, sowie für die Umwelt.

Kreativschaffende wie Mirjam und Alba, deren Arbeit auf dem menschlichen Körper und der Präsenz anderer beruht, trifft die Pandemie besonders hart. Für diejenigen, die mit dem Computer arbeiten, ist Homeoffice keine Sache der Unmöglichkeit. Dies verdeutlicht der Vergleich mit einer Grafikerin, einer Szenografin und einem Architekten.



Lukas Schirmann (Architekt) schätzt am Homeoffice, mehr Zeit für die Familie zu haben. Er hofft, dass ein flexibles und ortsungebundenes Arbeiten auch in Zukunft möglich sein wird. Zudem wünscht er sich ein Umdenken in Bezug auf Teilzeitarbeit. «Die Krise hat uns gelehrt, dass sehr viel möglich ist.» Wenn das Team dahinterstehe, sei es umsetzbar, mit Einbussen, aber auch mit Gewinn. «Anstatt an alten Strukturen festzuhalten, sollten wir die Bereitschaft für das Ausprobieren beibehalten.» Zudem hat Lukas ein neues Tool für sich gewonnen: das iPad. «Die Arbeit ist effektiver und effizienter, denn die Architekturpläne können am Display leichter korrigiert und verschickt werden.» Gleichzeitig helfe es, der Papierflut entgegenzuwirken und Ordnung zu halten. Dass die Architekt*innen komplett vom Papier wegkommen, glaubt Lukas allerdings nicht. Am Bildschirm bestehe die Gefahr, den Massstab zu verlieren, da man gefühlt unendlich zoomen kann. Deshalb seien Modelle und gedruckte Pläne weiterhin wichtig. selva-arch.ch



Esther Stute (Grafikdesignerin) sieht das Homeoffice weniger positiv. «Man hat sich mit der Situation arrangiert und es funktioniert, aber ich sehe nicht unbedingt etwas Positives an der Situation, abgesehen davon, morgens 15-20 Minuten länger schlafen zu können oder nicht bei strömendem Regen aus dem Haus zu müssen.» Dabei spiele auch das Alleinwohnen eine Rolle. Die Grafikdesignerin vermisst den direkten Austausch mit den Kolleg*innen, die zugleich Freunde sind, und das Unterwegssein am Wochenende. Normalerweise sei das ihr Ausgleich. Stattdessen gehe sie nun öfter raus in die Natur oder mache lange Velorunden. «Ich habe meine Umgebung mehr zu schätzen gelernt und schöne Orte zum Durchatmen entdeckt, die vorher in dem Alltagstrubel nicht aufgefallen sind.» suan.ch



Für Tanya Eberle (Szenografin/Innenarchitektin) hat sich durch die Pandemie beruflich wenig geändert. Im Home-Office habe sie schon zuvor gearbeitet. Nur die Kommunikation laufe anders. «Statt Treffen gibt es Zoom-Calls oder Emails.» Zwei Projekte wurden aufgrund von Corona gecancelt. Doch glücklicherweise hatten sie und ihr Partner Samuel Strässle – gemeinsam führen sie das Studio Streberle – genügend Kleinaufträge, die sie über Wasser gehalten haben. Bisher habe es gut funktioniert, doch langfristig machen sie sich Gedanken. «Ich habe dieses Jahr die Zeit genutzt und eine Weiterbildung im Bereich Grafik begonnen», erzählt Tanya. Durch das Anbieten von Komplettlösungen – vom Konzept bis zur Planung und Realisierung, einschliesslich der Grafik – möchten sie sich von anderen abheben. Auch eine Vergrösserung ihrer Werkstätten sei angedacht. Auf die Frage «Was würdest du aus der Zeit der Pandemie für die Zukunft mitnehmen?» antwortet Tanya: «Ich möchte mehr Zeit in der Natur verbringen. Gerade im kreativen Bereich kommen die besten Ideen, wenn man kurz raus an die frische Luft geht.» streberle.ch

Ein Text von Elena Haschemi Schirazi