09.09.2020

Fünf Fragen an Katrin Grögel & Sonja Kuhn

*kreaB: *Wie geht es den Basler Kulturschaffenden momentan?
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Katrin Grögel, Sonja Kuhn: Kulturschaffende und Kulturbetriebe haben schwierige Monate hinter sich und weiterhin unsichere Zeiten vor sich. Im internationalen Vergleich geht es aber den Kulturszenen in Ländern mit einem relativ gut ausgebauten Sozialversicherungssystem und Sondermassnahmen zur Abfederung der gravierenden Auswirkungen der Corona-Epidemie vergleichsweise gut. Wir sind beeindruckt von der Energie, dem Willen und der Kreativität der Kulturszene in diesen fordernden Zeiten, Projekt zu entwickeln und zu realisieren.
 
Wie und wo machen sich die Langzeitfolgen der Coronakrise besonders bemerkbar?
Darüber können wir erst spekulieren – muss doch leider davon ausgegangen werden, dass die Einschränkungen für Tourneen, Gastspiele, Spiel- und Ausstellungsbetriebe, Veranstaltungen und Projektzusammenarbeiten noch mindestens bis ins Jahr 2021 anhalten werden. Wir werden uns alle einer neuen Realität stellen müssen. Unsere Rolle sehen wir darin, diese Entwicklung zugunsten der Kulturschaffenden und Kulturbetriebe zu begleiten und uns für allfällig notwendige Anpassungen von Rahmenbedingungen einzusetzen.

Viel wurde über die Systemrelevanz einzelner Branchen gesprochen. Die Kultur gehörte laut Bundesbern nicht dazu. Wie beurteilen Sie die Systemrelevanz von Kultur?
Wenn man von Systemrelevanz spricht, so sollte man sich bewusst sein, dass es nicht nur ein System gibt. Wir sind zu 200 Prozent überzeugt von der gesellschaftlichen Relevanz eines vielfältigen und qualitativ hochstehenden Kulturangebots. Eine Gesellschaft ohne Kultur ist schlicht undenkbar. Künstlerinnen und Künstler, Kulturschaffende und alle, die dazu beitragen, geteilte Erfahrungen in diesem gemeinsamen Raum möglich zu machen, leisten einen wichtigen Beitrag. Aktuell zeigen sich allerdings an der Situation von Kulturschaffenden und Kulturbetrieben die Schwächen des Sozialversicherungssystems überdeutlich. Denn der Kulturbetrieb basiert zu hohem Mass auf flexiblen Arbeitsverhältnissen, in denen viele Freischaffende auf niedrigen Lohnniveaus beschäftigt werden.

Wie könnten sich Kulturschaffende künftig besser gegen Krisen wie diese wappnen?
Wir sehen aktuell, dass viele Kulturschaffende in der Vergangenheit wenig investiert haben in ihre soziale Sicherheit. So versuchen Selbständigerwerbende in der Regel, so hohe Abzüge wie möglich geltend zu machen und geben bei der Steuer und der Ausgleichskasse möglichst niedrige Einkommen an. Das ist nachvollziehbar, führt aber in der aktuellen Situation dazu, dass diese Personen nur sehr niedrige Taggelder erhalten. Ein zweiter Punkt, den wir in den letzten Monaten beobachten konnten: die Arbeit der Verbände, ihr Engagement in der Bewusstmachung und im Lobbying für die Interessen der Kulturschaffenden ist enorm wichtig!

Viele Kulturschaffende sehen sich aktuell gezwungen, sich nach einer anderen Tätigkeit umzuschauen. Was können Sie betroffenen Kulturschaffenden mitteilen, das Hoffnung macht?
Viele Kulturbetriebe sind sehr solidarisch mit den Kulturschaffenden und entwickeln spezifische Veranstaltungsformate, um Auftritte und Engagements unter den aktuellen Bedingungen zu ermöglichen. Unsere reguläre Fördertätigkeit wird mit Umsicht und im Bewusstsein um ihre erhöhte Relevanz weitergeführt. Die Ausfallentschädigungen für entgangene Honorare, die unsere Abteilung aktuell im Auftrag des Bundes und des Kantons bearbeitet, fangen Einnahmenausfälle von Selbständigerwerbenden auf. Aktuell wird auf Bundesebene das COVID-Gesetz diskutiert, das vorsieht, auch im Jahr 2021 noch Massnahmen zur Sicherung des unmittelbaren Lebensunterhalts von Kulturschaffenden anzubieten (Suisseculture Sociale). Sie sehen: Verwaltung, Kulturinstitutionen, Verbände und die Politik setzen sich vereint und engagiert dafür ein, die negativen Auswirkungen der Pandemie auf das Kulturschaffen abzufedern.